Popstars, Uncle Ben's und Co.: Rassismus-Debatte führt zum Umdenken Von Sebastian Fischer, dpa

Die Dixie Chicks sind passé. Sie heißen jetzt The Chicks. Und auch
der lächelnde Mann auf den bekannten Reispackungen steht auf der
Kippe. Was die Rassismus-Debatte bewirkt - auch in Deutschland.

Berlin (dpa) - Denkmälern geht es an den Kragen, doch nicht nur denen
aus Stein. In der Debatte über Rassismus und Kolonialismus werden
längst auch Symbole, Logos und alte Witze infrage gestellt. Bands
ändern ihre Namen, Klassiker aus Film und Comedy kommen wegen ihrer
Klischees auf den Prüfstand.

Die Countrypop-Band Dixie Chicks legte nun die Axt an ihren Namen an
und strich kurzerhand das «Dixie» - eine Bezeichnung der
US-Südstaaten, die noch aus der Zeit der Sklaverei stammt. Eine
Begründung für den Schritt wurde zwar nicht geliefert, in einem
zeitgleich veröffentlichen Musikvideo zeigen The Chicks, wie sich das
Frauen-Trio nun nennt, Aufnahmen von Antirassismus-Demonstrationen.

Das Statement scheint klar. «Popmusik arbeitet besonders mit
Symbolen», sagt Medienwissenschaftler und Popkulturexperte Mario
Anastasiadis von der Universität Bonn. Der Bandname sei dabei ein
zentrales Identifikationsmerkmal für Fans. «Die Änderung kann ein
dramatischer Schritt in der Karriere von Musikern sein.» Aktuell sei
dieser mit Blick auf die Black-Lives-Matter-Bewegung und die Reaktion
der Regierung von Präsident Donald Trump vor allem symbolpolitisch.

Ebenso vor zwei Wochen: Da haben die US-Countrystars von Lady
Antebellum etwas vom Namen abgeknapst und firmieren seither als Lady
A. Mit dem lateinischen Begriff «ante bellum» («vor dem Krieg») wir
d
sich in den USA auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg (1861-1865) bezogen,
als Sklaverei allgegenwärtig war. «Prominente springen jetzt auf mit
übereindeutigen Statements», sagt Anastasiadis. «Sie gehen das Risiko

ein, dass eine Änderung des Namens zu Kritik bei den Fans führen kann
- bis hin zum Karriereknick.»

Die Ära der Südstaaten ist in den USA bis heute sinnprägend - auch in

der Kultur. Bei den Demos gegen rassistische Diskriminierung fallen
immer wieder die Symbole der weißen Mehrheitsgesellschaft aus der
Kolonialzeit. Statuen von Südstaaten-Militärs werden von ihren
Sockeln geholt.

Doch auch ideelle Denkmäler geraten nach dem gewaltsamen Tod des
Afroamerikaners George Floyd in den Fokus. Kürzlich etwa wurde das
Südstaatenepos «Vom Winde verweht» vom Streamingdienst HBO Max
zeitweise aus dem Programm gestrichen - wegen seiner Schönfärberei
von Sklaverei und dem klischeebeladenen Bild von Schwarzen.
Mittlerweile ist der Hollywood-Klassiker zwar wieder zu sehen,
allerdings mit einordnenden Hinweisen zum historischen Kontext.

Und auch in Deutschland wird erneut gefragt, wie viel Rassismus in
Alltag und Kultur zu finden ist - und womöglich ersetzt werden
sollte. Schon vor Jahren stand das N-Wort für Schwarze etwa in
Kinderbüchern wie Michael Endes «Jim Knopf» in der Kritik. Otfried
Preußler stimmte einer Änderung des Wortes in seiner «Kleinen Hexe»

zu, was damals bundesweite Debatten auslöste.

Selbst einer der bis heute erfolgreichsten deutschen Streifen mit
Millionenpublikum kam 1985 nicht ohne Stereotype aus. In einer Szene
des Klamauk-Streifens «Otto - der Film» verscherbelt der Protagonist
einer älteren Dame an der Wohnungstür einen Schwarzen (gespielt von
Günther Kaufmann). Auch das N-Wort fällt mehrfach. Eine Anhäufung von

Klischees unter dem Deckmantel von Albernheiten. So einige dürfte der
Humor aus 1980ern heute aufstoßen.

Auch im Alltag begegnet man immer wieder belasteten Begriffen aus der
Kolonialzeit - nicht selten zum Beispiel Apotheken mit dem Wort
«Mohr» im Namen. In Frankfurt am Main entfernte eine Apotheke 2018
ihr Logo, das eine schwarze Frau mit Turban und großen Ohrringen
zeigte. Genauso jüngst in Wien: Eine Pharmazeutin verdeckte das
diskriminierende Bild eines Schwarzen im Schaufenster ihrer
«Mohren-Apotheke», eine Änderung des Namens soll folgen.

Der US-Lebensmittelgigant Pepsi gibt seiner 130 Jahre alten Marke
«Aunt Jemima» einen neuen Anstrich. Das Maskottchen bisher: eine
schwarze Frau als freundliche Dienerin. Einen Neustart soll es noch
in diesem Jahr geben. Und auch der lächelnde Schwarze auf den
Reispackungen von Uncle Ben's wird weiterentwickelt, um rassistische
Vorurteile zu bekämpfen, so der US-Konzern Mars. Wie genau das
geschehen soll, wurde aber noch nicht erklärt.

In Deutschland gerät mittlerweile zum Beispiel die Mohrenstraße in
Berlin in den Fokus. Zudem sollen im Stadtteil Wedding die an
deutsche Kolonialherren erinnernde Bezeichnungen nach jahrelanger
Diskussion ersetzt werden. Immer wieder gab es in der Vergangenheit
auch Kritik am Emblem der Sarotti-Schokolade - ebenso an einem
Mainzer Dachdeckerbetrieb namens Neger, der in seinem Firmenlogo ein
Männchen mit dicken Lippen und riesigen Ohrringen zeigt.

In der Regel wurden solche Zeichen oder Namen mit Verweis auf die
Tradition verteidigt. Ob ein solches Argument in der weltweiten
Rassismus-Debatte von heute noch ausreicht, wird sich zeigen.