Kaffeetafel im Schloss Bellevue - ein Stück Rückkehr zur Normalität Von Ulrich Steinkohl, dpa

Wochenlang gab es coronabedingt auch im Schloss Bellevue einen
Lockdown. Nun setzen der Bundespräsident und seine Frau ihre
«Kaffeetafel»-Reihe fort. Es geht um die Erfahrungen mit den
Corona-Beschränkungen. Die Gäste geben sehr persönliche Einblicke.

Berlin (dpa) - Der Rasen im Park von Schloss Bellevue wie immer
akurat geschnitten, ein großes Sonnensegel gespannt, darunter ein
langer Tisch gedeckt - so empfangen Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am Donnerstag sechs Gäste.
Zur «Kaffeetafel», wie die Veranstaltungsreihe heißt, bei der das
Präsidentenpaar am liebsten Menschen mit ganz unterschiedlichen
Sichtweisen miteinander ins Gespräch bringt. Und bei der es diesmal
um «Schattenseiten und Lichtblicke» bei den Beschränkungen in der
Corona-Pandemie geht.

Steinmeier gibt die Stichwörter: «Was ist Ihr Blick auf die
Situation? Wo hat sich die Gesellschaft verändert? Wo war die Politik
fehlgeleitet? Wo kann man mehr tun?» Und er bekommt von seinen Gästen
einiges zu hören.

Zum Beispiel von einer Mutter, die selbstständig ist, mit ihrem Mann
im Homeoffice arbeitet und nicht versteht, warum zwar Bars und
Restaurants wieder geöffnet sind, «aber meine Kinder haben nur drei
Stunden Unterricht in der Woche». Oder vom Inhaber eines
Metallbaubetriebs, der ihm vom wachsenden Unverständnis darüber
berichtet, dass Kurzarbeiter 60 Prozent ihres Lohnes bekämen. «Aber
Beamte können nach Hause gehen bei 100-prozentiger Fortbezahlung.»
Und von einer Berliner Lehrerin, die zum Einhalten der Hygieneregeln
an Schulen feststellt: «Hände waschen ist prima. Aber es wäre schon
schön, wenn die Toiletten dann entsprechend wären.»

Was lässt sich aus der Krise lernen? Nach Auffassung einer
Sparkassen-Angestellten zeigt die Pandemie, dass Krankenhäuser nicht
nur auf Profit ausgerichtet sein dürfen. «Das müssen wir uns im
Zweifel etwas kosten lassen.» Dann gebe es auch Reserven. Der Leiter
eines Berliner Gesundheitsamts schlägt in die gleiche Kerbe: Bei der
Privatisierung mancher Klinik sei man schlimm auf die Nase gefallen.
«Krankenhäuser, die staatlich sind, machen auch gesund.»

Für den Bundespräsidenten und seine Frau bedeutet diese Kaffeetafel
ein Stück Rückkehr zur Normalität. In der Corona-Hochphase wurde auch

das Leben im Schloss Bellevue heruntergefahren. Veranstaltungen
wurden ebenso gestrichen wie Reisen ins Ausland. Stattdessen hielt
Steinmeier mit anderen Staatsoberhäuptern per Telefon Kontakt, an die
Bürger wandte er sich mit Videobotschaften.

Dies ändert sich gerade. So vollzog Steinmeier am vergangenen Montag
den Wechsel an der Spitze des Bundesverfassungsgerichts mit dem
Überreichen der Entlassungsurkunde an Andreas Voßkuhle und der
Ernennungsurkunde an Stephan Harbarth. Tags darauf warb er mit den
Spitzen der Wirtschaftsverbände, Arbeitgeber und Gewerkschaften für
die Ausbildung junger Menschen auch in Corona-Zeiten. Wieder einen
Tag später sprach er mit Schülern und Auszubildenden.

Und in der kommenden Woche will Steinmeier erstmals wieder einen Gast
aus dem Ausland empfangen - die Präsidentin Estlands, Kersti
Kaljulaid.

Allerdings: Wirkliche Normalität schaut anders aus. Mit der Pandemie
leben - das lernt gerade auch der Bundespräsident. Abstand halten ist
auch im Schloss Bellevue oberstes Gebot. So gibt es am Ende der
Kaffeetafel ebenso wenig das sonst übliche Gruppenfoto wie zuvor beim
Termin mit Voßkuhle und Harbarth. «Auch der übliche Empfang ist ein
Opfer der Seuche geworden», musste Steinmeier dem alten und dem neuen
Präsidenten des höchsten deutschen Gerichts zudem mitteilen. Die
Pandemie sei noch nicht vorbei, warnt er bei der Kaffeetafel. «Die
Entwicklung in den Hotspots zeigt, dass wir uns immer noch auf sehr,
sehr dünnem Eis bewegen.»