Gefährliche Drogen-Trends in der Coronakrise Von Matthias Röder und Jan-Uwe Ronneburger, dpa

Millionen Menschen weltweit greifen zu Haschisch, Kokain und
synthetischen Drogen. In Europa verging manchen Konsumenten zwar im
Lockdown die Lust auf Kokain - stattdessen schauten viele aber öfter
mal tief ins Glas. Die UN warnen vor einem schlimmen Trend.

Wien/Lissabon (dpa) - Als Folge der Coronakrise befürchten
UN-Experten einen Anstieg beim Drogenkonsum. Nach bisherigen
Erfahrungen sei steigende Arbeitslosigkeit - wie in dramatischer
Weise in der aktuellen Situation - immer verbunden mit einem
verstärkten Griff zu Drogen, teilte das UN-Büro für Drogen- und
Verbrechensbekämpfung (UNODC) in seinem Jahresbericht am Donnerstag
in Wien mit. «Die Covid-19-Krise und der wirtschaftliche Abschwung
drohen die Drogengefahren noch weiter zu verschärfen», sagte
UNODC-Generaldirektorin Ghada Waly.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
registrierte zwar auf dem Kontinent insgesamt eine Abnahme des
Drogenkonsums während der Hochphase der Pandemie. Eine Entwarnung
gibt es von der in Lissabon sitzenden EU-Institution aber auch nicht.

Nach Einschätzung der UN-Behörde könnten Bauern schon aus
wirtschaftlicher Not heraus den illegalen Anbau von Drogen beginnen
oder ausweiten. Die Schmuggler suchten wegen der Einschränkungen im
Luftverkehr und wegen verstärkter Grenzkontrollen neue Wege, ihre
illegale Ware zu transportieren. So seien in jüngster Zeit
Kokain-Transporte von Südamerika nach Europa auf dem direkten Seeweg
beobachtet worden.

Laut UN-Drogenbericht ist die Zahl der Menschen, die 2018 Drogen wie
Cannabis, Kokain, Opium oder synthetische Substanzen konsumierten, im
Vergleich zum Vorjahr mit 269 Millionen in etwa stabil geblieben. Die
meisten von ihnen nehmen Haschisch. 35,6 Millionen Süchtige litten an
von Drogen verursachten Gesundheitsbeschwerden. Der Markt sei durch
die Vielfalt der rund 500 Designer-Drogen wie Fentanyl
unübersichtlich geworden, hieß es. Der wichtigste Schmuggler-Weg für

Heroin bleibe die Balkan-Route: Diese führt von Afghanistan via Iran,
die Türkei und den Balkan nach Mitteleuropa.

Die Corona-Krise hat nach Angaben der EU-Drogenbeobachtungsstelle
auch das Konsumverhalten bei Drogen in Europa deutlich beeinflusst.
Ein erheblicher Teil der Konsumenten sei während der Wochen strenger
Ausgangsbeschränkungen von illegalen Rauschmitteln auf Alkohol und
auch gefährlichere aber frei erhältliche Substanzen umgestiegen, wie
etwa das aus einem Lösungsmittel gewonnene GBL.

Während der Absatz stockte, sei die Drogenproduktion selbst jedoch in
etwa gleich hoch geblieben. Zwischenhändler dürften deshalb auf
großen Mengen sitzen und versuchen, diese mit Beginn der Lockerungen
der Corona-Beschränkungen in den Markt zu drücken, schrieben die
EU-Drogenexperten in Lissabon am Donnerstag.

Auch habe sich der Handel weg von der Straße stärker ins Internet
verlagert. Hier seien eher Messenger-Dienste mit sogenannter
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als etwa die verborgenen Teile des
Internets, das Darknet, genutzt worden. Dealer hätten sich darauf
verlegt, Drogen direkt nach Hause zu liefern oder mit der Post zu
verschicken und Überweisungen als Bezahlung akzeptiert.

Die UN-Expertin Angela Me warnt, die organisierte Kriminalität werde
die Coronakrise zu nutzen wissen. Es werde damit gerechnet, dass sie
in Zukunft von der Infiltration der legalen Wirtschaft profitiere -
weil «die großen Gelder von den Regierungen ausgezahlt werden, um die
Covid-Krise zu überwinden».

Auch die militant-islamischen Taliban in Afghanistan könnten nach
ihren Worten zu den Gewinnern der Krise zählen, indem sie sich in
diesen schwierigen Zeiten als Helfer gerade der armen Bevölkerung
positionierten. So haben laut UN-Bericht insbesondere Tagelöhner, die
durch die Pandemie arbeitslos geworden sind, als Helfer bei der Ernte
von Schlafmohn in Gebieten unter Taliban-Kontrolle Arbeit gefunden.

Am anderen Ende des Marktes in Europa ging unterdessen während der
Corona-Krise vor allem der Konsum von Kokain und synthetischen Drogen
wie Ecstasy zurück. Wegen der Ausgehbeschränkungen habe es kein
Nachtleben mehr gegeben, wo solche Aufputschmittel am ehesten
konsumiert werden, schrieben die EU-Experten in ihrem 24-seitigen
Bericht.

Darin schildern sie den Fall eines Kokainkonsumenten, der während des
Corona-Lockdowns in seiner Wohnung fast durchdreht sei und es dann
lieber sein ließ. «Jetzt trinke ich abends Wein und Whiskey, das
entspannt mich viel mehr.» Zur Kokainabhängigkeit könnte dann noch
Alkoholismus kommen, warnt die Drogenbeobachtungsstelle deswegen.