Ministerium zieht Pläne für größere Schulklassen zurück

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Schulbetrieb sind noch
nicht überstanden, da drohen Schülern und Lehrern schon die nächsten

Herausforderungen. Nach einem Sturm der Entrüstung lenkt das
Kultusministerium ein - zumindest ein bisschen.

Hannover (dpa/lni) - Die Schüler in Niedersachsen müssen sich anders
als zwischenzeitlich von der Landesregierung geplant doch nicht auf
eine neue Einteilung ihrer Klassen nach den Sommerferien einstellen.
Ursprünglich hatte das Kultusministerium die Schulen angewiesen,
größere Klassen als bisher zu bilden, wenn die Zahl der Schüler in
einem Jahrgang unter einen Grenzwert fällt. Nach heftigem Gegenwind
aus der Opposition sowie von Lehrern und Schülern nahm das
Ministerium diese Entscheidung am Donnerstag aber wieder zurück.

Der Erlass hätte nach Darstellung der Gewerkschaft GEW dazu geführt,
dass beispielsweise in einem Jahrgang mit bisher 92 Kindern in vier
Klassen nur noch drei Klassen übrig geblieben wären, wenn drei
Schüler etwa durch Sitzenbleiben oder Umzug wegfielen. «Schulklassen
werden durcheinandergewürfelt, was fatal ist», hatte GEW-Landeschefin
Laura Pooth befürchtet. Wenig später revidierte das Ministerium den
Erlass. «Der Wunsch nach Verlässlichkeit in den Klassengemeinschaften
ist verständlich», sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD).

An einem zweiten Erlass hielt das Ministerium allerdings fest. So
bekommen die Lehrer nach den Sommerferien weniger Zeit für wahlfreien
Unterricht und Arbeitsgemeinschaften. Rund 7000 der 37 000
sogenannten Poolstunden müssen in den Klassen 5 bis 10 im Schuljahr
2020/21 für den Pflichtunterricht genutzt werden. Vor dem Hintergrund
der Corona-Krise und der Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren soll das
diesen Unterricht sicherstellen.

«Auch mit der Umschichtung der Poolstunden werde ich keinen
Beliebtheitspreis gewinnen, das ist mir sehr bewusst», sagte Minister
Tonne. «In der Abwägung finde ich es aber notwendig, einen Teil
dieser Stunden vorübergehend zur Absicherung der Stundentafel
einzusetzen, um Wissenslücken zu schließen oder zu verhindern, dass
neue aufreißen.»

Die Fraktionschefin der Grünen, Julia Willie Hamburg, warf dem
Kultusministerium Chaos vor. «Im Hause des Ministers Tonne weiß die
eine Hand nicht, was die andere tut», sagte sie. Die Schulen würden
händeringend auf das Konzept warten, wie es nach den Ferien unter
Corona-Bedingungen weitergehen soll. «Erst das Konzept - dann die
Personalplanung. Das wäre die richtige Reihenfolge», so Hamburg. Der
FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling hatte Tonne vor der Rücknahme

des Erlasses vorgeworfen, die Unterrichtsversorgung schönzurechnen.

Auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler werde versucht, die
Kosten zu senken, sagte der Vorsitzende des Lehrerverbands VNL/VDR,
Torsten Neumann. Der Philologenverband PHVN sprach von
«Taschenspielertricks zulasten der Schulen», der Landesschülerrat
(LSR) von einem völlig falschen Signal der Landesregierung. «Nicht
weniger Klassen, sondern mehr Lehrkräfte sind der Weg zu einem
besseren Lernen in Niedersachsens Schulen», sagte der LSR-Vorsitzende
Ole Moszczynski.