Schwedens Top-Epidemiologe bedauert Corona-Scheitern bei Senioren

Stockholm (dpa) - Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell bereut

einen Teil seiner Strategie im Umgang mit dem Coronavirus. Der Schutz
vor einer Ansteckung der Älteren in schwedischen
Senioreneinrichtungen sei gescheitert und die Todesrate
«schrecklich», sagte Tegnell im beliebten «Sommar»-Programm des
schwedischen Radios am Mittwoch. «Wir dachten vermutlich, dass unsere
alters-segregierte Gesellschaft uns erlauben würde, eine Situation zu
vermeiden wie in Italien, wo verschiedene Generationen viel häufiger
zusammenleben. Aber das erwies sich als falsch.»

An Schwedens lockerer Corona-Strategie, für die Tegnell federführend
verantwortlich war, mehrt sich die Kritik. Denn die Infektions- und
Todeszahlen pro Einwohner sind im Vergleich zum restlichen
Skandinavien und auch zu Deutschland sehr hoch. Im Land mit seinen
etwas mehr als zehn Millionen Einwohnern wurden laut der staatlichen
Gesundheitsbehörde bislang rund 62 300 Menschen positiv auf das Virus
getestet. Mehr als 5200 Menschen sind im Zusammenhang mit einer
Corona-Infektion gestorben.

Zu Schwedens Sonderweg mit lediglich moderaten Einschränkungen für
die Bevölkerung sagte der 64-Jährige, an sich habe das
Gesundheitssystem die Pandemie bewältigen können. Aber vor allem die
vielen Toten unter den Senioren hätten vermieden werden müssen. Der
Epidemiologe hatte erstmals Anfang Juni Selbstkritik an der Strategie
geübt und bedauert, dass das Land zu wenig Maßnahmen im Kampf gegen
das Virus ergriffen habe.