) Corona-Ausbruch: Strenge Regeln in zwei NRW-Kreisen in Kraft

Erstmals in Deutschland ist nach den bundesweiten Einschränkungen in
der Corona-Krise ein regionaler «Lockdown light» in Kraft getreten.
In zwei Kreisen in NRW gelten nun wieder Einschränkungen des
öffentlichen Lebens. Zehntausende Menschen sind betroffen.

Düsseldorf (dpa) - Nach dem massiven Corona-Ausbruch in einem
Fleischbetrieb von Tönnies ist das öffentliche Leben in zwei Kreisen
von Nordrhein-Westfalen wieder eingeschränkt. Um Mitternacht traten
im Kreis Gütersloh und im Nachbarkreis Warendorf erneut strenge
Auflagen in Kraft. Betroffen sind insgesamt rund 640 000 Einwohner.
Das Tönnies-Werk Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh gilt als
Ausgangspunkt des Ausbruchs, auch im Raum Warendorf wohnen viele
Tönnies-Mitarbeiter.

Im öffentlichen Raum dürfen nun nur noch zwei Menschen oder Menschen
aus einem Familien- oder Haushaltsverbund zusammentreffen, wie die
Landesregierung am Dienstag mitgeteilt hatte. Zudem sollen eine Reihe
von Freizeitaktivitäten unterbleiben. So müssen den Angaben zufolge
zum Beispiel Museen, Kinos, Fitnessstudios, Hallenschwimmbäder und
Bars vorübergehend geschlossen werden. Die Vorschriften für die neuen
Einschränkungen gelten zunächst für eine Woche bis zum 30. Juni.

Vertreter beider Kreise sprachen von einem «Lockdown light», da
Geschäfte und Restaurants weiter geöffnet bleiben dürfen. Er nenne
die Maßnahmen «Lockdown soft oder Lockdown light», sagte Landrat
Sven-Georg Adenauer (CDU). «Wenn man das vergleicht mit dem, was wir
im März hatten, ist das was, mit dem man sich arrangieren kann.
Längst nicht so hart und nur auf eine Woche begrenzt.».

Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wollen Bürger
aus Corona-Risikogebieten nur noch unter strengen Auflagen einreisen
lassen. In Schleswig-Holstein sollen sie sich künftig nach der
Einreise zwei Wochen in Quarantäne begeben. Auf der Insel Usedom
waren Urlauber aus dem Kreis Gütersloh schon am Montag aufgefordert
worden, Mecklenburg-Vorpommern wieder zu verlassen. In einer
Telefonkonferenz wollen die Gesundheitsminister der Länder an diesem
Mittwoch über eine einheitliche Linie im Umgang mit Reisenden
beraten.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte
davor, Urlauber aus dem Kreis Gütersloh zu stigmatisieren. «Die
Botschaft an alle, die jetzt auf Gütersloh schauen: Es sind außerhalb
der Beschäftigten in der Fleischindustrie so gut wie keine Fälle
bisher bekannt», sagte er am Dienstagabend in der ARD.

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) verteidigte die
Beschränkungen für Urlauber aus Corona-Risikogebieten dagegen als
unbedingt notwendige Sicherheitsmaßnahme für alle Beteiligten. «Wir
möchten nicht, dass der Urlaub in Bayern für viele Leute unsicher
wird», sagte er in der ARD und im Bayerischen Fernsehen.

In Bayern dürfen Beherbergungsbetriebe künftig keine Menschen mehr
aufnehmen, die aus einem Landkreis einreisen, in dem die Zahl der
Neuinfektionen in den zurückliegenden sieben Tagen bei mehr als 50
pro 100 000 Einwohner liegt. Ausnahmen soll es nur für jene geben,
die einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen könnten. Im
Kreis Gütersloh war die sogenannte 7-Tages-Inzidenz zuletzt auf einen
Wert von weit über 200 gestiegen.

Mit Inkrafttreten der strengen Regeln werden in den Kreisen Güterloh
und Warendorf die Corona-Tests deutlich ausgeweitet. Laut
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sollen Bewohner und
Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen, Mitarbeiter der Krankenhäuser,
Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel und Kioskpersonal
durchgetestet werden. Das gilt auch für die Beschäftigten von
Unternehmen und Subunternehmen, die zentrale Gemeinschaftsunterkünfte
betreiben oder viele Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigen.

Alle Bürger der beiden Kreise sollen die Möglichkeit erhalten, sich
kostenlos testen zu lassen. Mehr als 1500 Tönnies-Beschäftige sind
nach bisherigen Angaben des Kreises Gütersloh nachweislich infiziert.
Rund 7000 Mitarbeiter wurden schon vor den Tests unter Quarantäne
gestellt. Zudem wurden im Kreis Gütersloh schon vor Tagen alle
Schulen und Kitas vorsorglich geschlossen.

In Bulgarien wurden inzwischen drei heimgekehrte Tönnies-Mitarbeiter
unter Quarantäne gestellt. Sie seien in Deutschland auf das
Coronavirus getestet worden, wüssten aber nicht, wie die Tests
ausgefallen seien, sagte der Bürgermeister des südwestbulgarischen
Beliza, Radoslaw Rewanski, am Dienstagabend dem Fernsehsender bTV.
Sie sollen nun an diesem Mittwoch erneut getestet werden.

Der Corona-Ausbruch bei Tönnies und die drastischen Einschränkungen
für die Bevölkerung dürften an diesem Mittwoch zu heftigen Debatten
auch im Landtag von NRW führen. Laschet will das Plenum zunächst über

die Maßnahmen der Landesregierung im Kampf gegen die Corona Krise
unterrichten. Allerdings wird erwartet, dass der Fokus der Opposition
auf dem Krisenmanagement der schwarz-gelben Regierung liegen wird.

Ein weiterer Corona-Ausbruch in einem Schlachthof wird aus
Niedersachsen gemeldet. Mitarbeiter der PHW-Gruppe («Wiesenhof») in
Wildeshausen nach Angaben des Unternehmens positiv auf das
Coronavirus getestet worden. Eine am Montag erfolgte Reihentestung
habe bei 23 von 50 Mitarbeitern eine Infektion ergeben, sagte ein
Sprecher des Landkreises. Der PHW-Gruppe zufolge sollen nun alle mehr
als 1100 Mitarbeiter des Schlachthofes getestet werden.