Kabinett beschließt EU-Programm: «Europa wieder stark machen»

Die Corona-Pandemie hat das Programm für die deutsche
EU-Ratspräsidentschaft ziemlich durcheinandergewirbelt. Die
Krisenbewältigung überlagert nun alles. Die Bundesregierung will
dabei «Motor und Moderator» sein.

Berlin (dpa) - Die Bewältigung der Corona-Krise wird klarer
Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli sein.
Das Kabinett beschloss am Mittwoch ein 24-seitiges Programm, das den
sechsmonatigen Vorsitz ab 1. Juli unter das Motto stellt: «Gemeinsam.
Europa wieder stark machen.»

Mit der Corona-Pandemie stehe die Europäische Union «vor einer
schicksalhaften Herausforderung», heißt es darin. «In der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft werden wir uns mit ganzer Kraft dafür
einsetzen, diese Aufgabe gemeinsam und zukunftsgerichtet zu meistern
und Europa wieder stark zu machen.»

Außenminister Heiko Maas bezeichnete es als Aufgabe Deutschlands
Brücken zu bauen, die allen Menschen in Europa zugute kommen.
«Deutschland will als EU-Ratspräsidentschaft Motor und Moderator
sein», sagte der SPD-Politiker. Die Krise habe auch die Stärken
Europas gezeigt: Solidarität, Kompromissfähigkeit, soziale Sicherung.
«Niemand hat bisher die eigenen Bürger so gut durch die Krise
gebracht. Solidarität ist der Wesenskern Europas, und diese Stärke
wollen wir ausbauen.»

Zweiter Schwerpunkt des sechsmonatigen deutschen Vorsitzes wird neben
der Corona-Krise der Abschluss der Verhandlungen über den Austritt
Großbritanniens aus der EU sein. Daneben wird es um Klimaschutz,
Digitalisierung, Rechtsstaatlichkeit und die Positionierung Europas
zwischen den Großmächten China und USA gehen.

Zur Vorbereitung der Ratspräsidentschaft wird Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) am kommenden Montag den französischen Präsidenten
Emmanuel Macron im brandenburgischen Meseberg treffen. Macron ist der
erste Gast aus dem Ausland, den Merkel seit Beginn der Corona-Krise
in Deutschland empfängt.

Den dicksten Brocken der Präsidentschaft würde die Bundesregierung am
liebsten gleich zu Beginn abräumen. Auf einem Gipfel Mitte Juli soll
ein Programm für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in der EU nach der
Corona-Krise beschlossen werden. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag
für einen schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsplan im
Umfang von 750 Milliarden Euro. Davon sollen 500 Milliarden Euro als
Zuschüsse an die EU-Staaten fließen, der Rest als Kredite.

Gegen den Vorschlag der EU-Kommission stemmen sich bisher noch
Österreich, Dänemark, Schweden und vor allem die Niederlande. Das
Wiederaufbauprogramm soll zusammen mit dem EU-Haushaltsrahmen für die
Jahre 2021 bis 2027 im Umfang von 1,1 Billionen Euro verhandelt und
beschlossen werden

Spätestens im Herbst müssen dann die Verhandlungen mit Großbritannien

über die zukünftigen Beziehungen zu dem im Januar aus der EU
ausgetretenen Land abgeschlossen werden. Gelingt das nicht, könnte es
Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen
Handelshemmnissen kommen.

Das Programm für die Ratspräsidentschaft enthält aber noch zahlreiche

andere Themen, von den Bemühungen um eine gemeinsame Asylpolitik über
den Ausbau einer europäischen Verteidigungspolitik bis zu
sozialpolitischen Themen wie einem EU-Rahmen für Mindestlöhne.
Wieviel davon abgearbeitet werden kann, ist angesichts der
Corona-Krise völlig unklar. Die eingeschränkten Möglichkeiten
physischer Treffen wird die Arbeit erschweren.

Opposition und Verbände befürchten daher, dass wichtige Ziele der
Präsidentschaft auf der Strecke bleiben könnten. So forderten der
Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und mehrere Organisationen die
Bundesregierung auf, sich für eine «umfassende
Finanztransaktionssteuer» einzusetzen. «Wir fordern die
Bundesregierung dabei auf, bei der Bewältigung der Corona-Pandemie
auch die Folgen in den ärmeren Teilen der Welt in den Blick zu nehmen
und dafür erhebliche zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu
stellen», heißt es in einer Erklärung von DGB, «Brot für die Welt
»,
Greenpeace, Oxfam und anderen Gruppen.

Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner monierte, das
Programm biete zu wenig zu den Themen Klimaschutz und
Gleichberechtigung von Frauen. Die Linken-Chef Katja Kipping betonte
die Bedeutung der Themen soziale Gerechtigkeit, Freiheitsrechte und
Menschenrechte.