Eigenverantwortlichkeit statt Verbot: Land will Corona-Regeln lockern

Seit Monaten haben sich die Menschen an Mund-Nasen-Schutz,
Abstandhalten und Kontaktbeschränkungen gewöhnt. Sie sollen auch
weiter umsichtig sein und Vorsicht vor dem Coronavirus walten lassen.
Der Spielraum eines jeden wird aber größer.

Magdeburg (dpa/sa) - Sachsen-Anhalt will künftig weniger auf Verbote
setzen, sondern vielmehr auf die Eigenverantwortung der Menschen in
der Corona-Pandemie. Aus dem bisherigen Kontaktverbot, das Treffen
von mehr als zehn Menschen untersagt, soll künftig eine
Kontaktempfehlung werden. Es gebe dann auch keine Bußgelder mehr,
sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) am Dienstag nach einer
Kabinettssitzung in Magdeburg. «Wir wollen den Menschen auch in
unserem Land eine Eigenverantwortlichkeit für sich und ihre Familien
zurückgeben.» Die Menschen hätten sich daran gewöhnt, ihren Fre
undes-
und Familienkreis nicht ohne Not zu verlassen.

Die Regierung will zudem Open-Air-Veranstaltungen mit bis zu 1000
Teilnehmern sowie Sportwettkämpfe wieder ermöglichen. Die
entsprechende siebte Corona-Eindämmungsverordnung soll am kommenden
Dienstag beschlossen werden. Sie soll dann bis zum 16. September
gelten - so sollen Veranstalter, aber auch jeder einzelne besser
planen können.

Grimm-Benne fasste die Grundsätze so zusammen: «Es ist gut, wenn man

sich mit nicht mehr als zehn Personen trifft, wenn man sich draußen
trifft und wenn man sich immer mit dem gleichen Personenkreis
trifft.» Hinzu kämen der Mund-Nasen-Schutz und die Hygiene.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte, dass die
sogenannten «AHA-Grundsätze» eingehalten werden sollten. «AHA»
steht
laut Bundesgesundheitsministerium für «Abstand wahren», «auf Hygien
e
achten» und «Alltagsmaske tragen», wenn Abstand nicht möglich sei.

Wichtig sei auch, dass Infektionsketten zurückverfolgt werden
könnten.

Ähnliche Entscheidungen zum Kontaktverbot gibt es auch in
anderen Bundesländern. So hat Thüringen die coronabedingten
Kontaktbeschränkungen zum 13. Juni aufgehoben. In einer neuen
Grundverordnung wird lediglich empfohlen, sich nur mit einem weiteren
Haushalt oder mit maximal zehn Menschen zu treffen. Auch Berlin will
künftig auf Kontaktbeschränkungen verzichten. Das hat der Senat am
Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur beschlossen.
Bisher gilt, dass sich in der Hauptstadt maximal fünf Personen aus
mehreren oder nur Mitglieder zweier Haushalte in der Öffentlichkeit
treffen dürfen.

Unterdessen wurden am Dienstag in Sachsen-Anhalt nur fünf neue
Corona-Fälle binnen 24 Stunden bekannt. Drei davon seien in Magdeburg
aufgetreten, teilte das Sozialministerium mit. Außerdem seien zwei
neue Erkrankungen im Landkreis Wittenberg verzeichnet worden.
Insgesamt liegt die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen im Land
demnach bei 1857 Fällen. 58 mit dem Sars-CoV-2-Virus infizierte
Menschen sind gestorben. Nach Schätzungen sind bisher 1674 Menschen
wieder genesen.

Die angekündigten Regelungen im Einzelnen:

GROßVERANSTALTUNGEN werden den Plänen zufolge Schritt für Schritt
wachsend wieder möglich sein: Die Sozialministerin sagte, in
geschlossenen Räumen solle die maximale Teilnehmerzahl auf 250
Menschen begrenzt werden. Vom 1. September werde die Grenze auf 500
Menschen hochgesetzt. Voraussetzung sei, dass die Veranstaltungen
«fachkundig organisiert» werden. Draußen sollen bis zu 1000 Menschen

zu Veranstaltungen zusammenkommen können - Grund ist laut
Grimm-Benne, dass die Gefahr einer Ansteckung an der frischen Luft
deutlich geringer sei als in geschlossenen Räumen.

Auch bei PRIVATFEIERN können wieder mehr Menschen zusammenkommen,
wenn das Kabinett die Regelung am kommenden Dienstag beschließt: 50
statt bisher 20 Menschen sollen gemeinsam im Familien-, Freundes-
oder Bekanntenkreis feiern können.

KINDER sollen in den Sommerferien wieder in Ferienlager fahren
dürfen. Eine konkrete Maximalteilnehmerzahl wurde offen gelassen. Man
wolle nicht reglementieren, welches Kind mitfahren darf und welches
nicht, sagte Grimm-Benne. Wichtig sei, dass die Gruppen konstant
seien, betonte Haseloff.

Für den SPORT sind ebenfalls weitreichende Lockerungen geplant, wie
Grimm-Benne weiter sagte. Sportwettkämpfe sollen wieder angesetzt
werden können. Die Grenze von 1000 Menschen für Veranstaltungen
im Freien soll auch hier gelten. Dabei sollen die
jeweiligen Hygieneregeln und Vorgaben der Sportverbände eingehalten
werden. Auch Kontaktsport soll vom 2. Juli an wieder erlaubt werden.

MESSEN, AUSSTELLUNGEN, SPEZIAL-, FLOH- UND TÖPFERMÄRKTE sollten wie
Ladengeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen wieder öffnen dürfen.

Eine Person je zehn Quadratmetern solle zugelassen werden. Die
allgemeinen Hygiene- und Abstandsregelungen müssten eingehalten
werden, zudem seien Zugangskontrollen nötig, sagte Grimm-Benne.

In REISEBUSSEN sollen laut der Ministerin künftig ähnliche Regelungen
gelten wie im ÖPNV. Weil der Mindestabstand von 1,50 Metern dort
nicht eingehalten werden könne, sei auch dort eine
Mund-Nasen-Bedeckung nötig. «Und wir sagen, wenn die Fahrzeit länger

als drei Stunden beträgt, sollte der Mund-Nasen-Schutz vom
Veranstalter gestellt werden.» Zudem müsse es regelmäßige
Lüftungspausen geben.

GESCHLOSSEN bleiben sollen Clubs, Diskotheken, Prostitutionsstätten,
Volksfeste und Jahrmärkte. Damit sich aber überhaupt noch Karussells
und Fahrgeschäfte drehen können in diesem Jahr, sollen laut
Grimm-Benne Messen gut organisiert werden. «Auch dort kann man
fachkundig organisierte Veranstaltungen zulassen mit unterhaltenden
Attraktionen wie Fahrgeschäften im Außenbereich.» Die Messegelände

sollten mit Ein- und Ausgangskontrollen organisiert werden, sodass es
nicht mehr als 1000 Besucher gebe. Schausteller hätten bereits selbst
Konzepte entwickelt.