RKI-Appell: Weiter achtsam bleiben und neue Ausbrüche verhindern

Nach einem deutlichen Rückgang seit Mitte März sind die
Corona-Fallzahlen in Deutschland zuletzt leicht angestiegen. Das
Robert Koch-Institut hat sich nun an die Öffentlichkeit gewandt, um
die Hintergründe zu erklären.

Berlin (dpa) - Nach den Corona-Ausbrüchen unter anderem im Landkreis
Gütersloh hat das Robert Koch-Institut (RKI) die Menschen in
Deutschland zur Vorsicht aufgerufen. «Wir müssen weiterhin achtsam
sein», sagte RKI-Chef Lothar Wieler am Dienstag in Berlin. Das gelte
für weitere Monate. Das Virus sei noch im Land. «Wenn wir ihm die
Chance geben, sich auszubreiten, nimmt es sich diese Chance. Das
sieht man an den derzeitigen Ausbruchsgeschehen.» Diese beträfen
fleischverarbeitende Betriebe und Glaubensgemeinschaften und könnten
über Kontakte leicht in die Bevölkerung übertragen werden.

Es gelte, weitere Ausbrüche mit solidarischem Verhalten zu
verhindern, betonte Wieler: durch Einhalten von Mindestabständen,
Hygieneregeln und durch Maskentragen an Orten, wo es geboten sei.
«Ich denke nicht, dass die Lockerungen völlig folgenlos bleiben
werden.» Wieler zeigte sich allerdings optimistisch, dass eine zweite
Welle in Deutschland mit den bereits erprobten Werkzeugen verhindert
werden kann: «Das liegt echt in unserer Hand.»

Vor allem die lokalen Ausbrüche - insbesondere in den Landkreisen
Gütersloh und Warendorf in Nordrhein-Westfalen, aber auch in
Magdeburg, Göttingen und Berlin-Neukölln - treiben nach
RKI-Einschätzung die bundesweiten Zahlen in die Höhe.

Nachdem in den vergangenen Wochen im Mittel etwa 350 neue Fälle pro
Tag ans RKI gemeldet worden seien, stiegen diese Zahlen seit
vergangenem Dienstag wieder etwas an, sagte Wieler. Laut Lagebericht
vom Montag etwa kamen knapp 540 Infektionen neu hinzu, am Dienstag
meldete das RKI 503 Neuinfektionen (Datenstand 23.06., 0 Uhr).

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, die über die Dynamik des
Ausbruchsgeschehens Auskunft gibt, habe lange Zeit stabil unter 1
gelegen, seit 21. Juni jedoch zwischen 2 und 3, so Wieler. Das
bedeutet, dass ein Infizierter im Schnitt zwei bis drei weitere
Menschen ansteckt. Angestrebt wird ein Wert unter 1, um die Pandemie
zu bremsen. Zuletzt lag der R-Wert bei 2,02. (Datenstand 23.6., 0.00
Uhr, Vortag: 2,76). Das sogenannte Sieben-Tage-R lag bei 1,67
(Vortag: 1,83). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16
Tagen und unterliegt weniger tagesaktuellen Schwankungen.

Knapp 140 Kreise haben laut RKI in den vergangenen Tagen keine Fälle
übermittelt. «Wir denken, dass die lokalen Behörden sehr wachsam
sind», sagte Ute Rexroth, Leiterin des Fachgebiets Surveillance am
RKI. Das gelte auch für Ärzte und Labore. Fälle würden relativ fr
üh
erkannt. Man vertraue den lokalen Behörden, die in Kenntnis der
jeweiligen Lage vor Ort über die Eindämmungsmaßnahmen entschieden.
Das RKI sei in engem Austausch mit den zuständigen Landesbehörden.
Als gemeinsamen Nenner bei den aktuellen Ausbrüchen nannte Rexroth
«eher schwierige soziale Bedingungen».

In NRW sind bisher mehr als 1550 Infektionen bei Beschäftigten des
Fleischverarbeiters Tönnies bekannt - die dortigen Behörden kündigten

zunächst für eine Woche massive Einschränkungen des öffentlichen
Lebens im Kreis Gütersloh und auch im Nachbarkreis Warendorf an. So
dürfen sich die Bewohner etwa im öffentlichen Raum eine Woche lang
nur noch mit Personen des eigenen Hausstands bewegen oder zu zweit.
Schulen und Kitas sind oder werden geschlossen.

Am Dienstagnachmittag wurde bekannt, dass auch mehrere Mitarbeiter
eines Schlachthofs der PHW-Gruppe («Wiesenhof») im niedersächsischen

Wildeshausen positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Eine am
Montag erfolgte Reihentestung sei bei 23 von 50 Mitarbeitern positiv
verlaufen, sagte ein Sprecher des Landkreises. Nun sollen alle mehr
als 1100 Mitarbeiter des Schlachthofes untersucht werden.

In anderen Städten wurden zunächst Wohnblöcke unter Quarantäne
gestellt, in Berlin-Neukölln zum Beispiel sollen sich Menschen im
Zusammenhang mit Gottesdiensten angesteckt haben. Dort sind knapp 100
Fälle bestätigt. Im Stadtteil Friedrichshain wurde eine
Corona-Infektion bei 44 Bewohnern eines Gebäudekomplexes
nachgewiesen. Die betroffenen Haushalte wurden unter Quarantäne
gestellt.

Insgesamt haben sich laut RKI in Deutschland seit Pandemie-Beginn 190
862 Menschen in Deutschland nachweislich mit Sars-CoV-2 angesteckt
(Datenstand 23.06., 0 Uhr). 8895 mit dem Virus infizierte Menschen
starben nach RKI-Angaben in Deutschland - das bedeutet ein Plus von
10 im Vergleich zum Vortag. Etwa 175 700 Menschen haben die Infektion
nach RKI-Schätzungen überstanden. Das sind 400 mehr als noch einen
Tag zuvor.