Ex-Nachbarin von Angeklagtem im Weizsäcker-Mordprozess: «Neurotiker»

Berlin (dpa) - Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Berliner
Mediziners Fritz von Weizsäcker hat eine Ex-Nachbarin den Angeklagten
als Einzelgänger und Neurotiker mit Händewasch-Zwang beschrieben. Er
sei entweder laut und aggressiv oder in sich gekehrt gewesen. Sie
habe auch einen Faustschlag ins Gesicht abbekommen, sagte die
54-Jährige am Dienstag vor der Landgericht in der Hauptstadt.

Zudem habe der Mann in einem Gespräch vor Jahren erwähnt, dass er
Säure gekauft habe und damit nach Berlin gefahren sei, die Substanz
dort aber vernichtet habe. Die Zeugin hatte früher im selben
Mietshaus wie der Angeklagte in Andernach in Rheinland-Pfalz gelebt.
Ohne Namen zu nennen, habe er gemeint, die gesamte Familie eines
Politikers sollte genauso leiden wie Kriegsopfer in Vietnam.

Der jüngste Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von
Weizsäcker wurde am 19. November 2019 durch einen Stich in den Hals
gegen Ende eines Vortrages in der Schlossparkklinik Berlin getötet.
Die Tat hatte bundesweit Entsetzen hervorgerufen.

Dem Angeklagten (57) werden Mord an dem 59-jährigen Professor sowie
versuchter Mord an einem Polizisten zur Last gelegt. Der heute 34
Jahre alte Beamte wollte den Angreifer - nach eigener Aussage vor
Gericht - stoppen und war demnach direkt dazwischengegangen. Er habe
in die Messerklinge gegriffen und den «ungebremst aggressiven» Mann
am Boden überwältigt. Der Beamte war privat zu dem Vortrag gekommen.

Als Mordmotiv nimmt die Staatsanwaltschaft Hass auf die Familie des
Getöteten an, insbesondere auf den früheren Bundespräsidenten. Im
Prozess wird auch die Schuldfähigkeit des Angeklagten geprüft. Der
mutmaßliche Mörder hat die Attacke gestanden, aber keine Reue
gezeigt. Für den Nachmittag war eine neue Erklärung von ihm
angekündigt. Zunächst sollten weitere Zeugen gehört werden.