Corona-Cartoons: Lachen über die Pandemie? Von Helmut Reuter, dpa

Wie ein Tsunami kam die Corona-Pandemie über die Welt. Krankheit und
Leid sind die Folgen. Trauer, Einsamkeit und enormer Schaden. Da gibt
es nichts zu lachen. Eigentlich. Denn Cartoons zeigen, dass es
möglich ist, vielleicht sogar nötig.

Bremen (dpa) - Die Frage «Darf man denn darüber lachen?», findet Til

Mette irgendwie seltsam. «Die wird uns immer gestellt», sagt der
Zeichner, Maler und Karikaturist, der nicht nur «Stern»-Lesern seit
vielen Jahren ein Begriff ist. Ob Corona oder Klima, Krieg oder Krise
- Mette fühlt sich wie viele seiner Kollegen geradezu «verpflichtet»,

dass das Ergebnis seiner Arbeit komisch ist. 55 Karikaturen von 15
renommierten Zeichnern zum Thema Corona sind noch bis Ende Juli in
einer kleinen Ausstellung in Bremen zu sehen.

Der Titel in der «Havengalerie» lautet «Ansteckende Cartoons» und
frei nach dem der Pandemie zum Opfer gefallenen Oktoberfest:
«O'steckt ist! - Die Pandemie ist eröffnet!».

Die Drucke der Cartoons hängen an den Wänden dicht an dicht, meist im
kleinen Formaten, aber auch in Groß. Tetsche, Dorthe Landschulz,
Michael Holtschulte, Harm Bengen, Miriam Wurster, Burkhard Fritsche
(Burkh) sind einige der Zeichner, die «Havengaleristin» Dijana Nukic,
für die seit Ende Mai laufende Ausstellung gewinnen konnte.

«Wir verhöhnen die Pandemie nicht. Cartoonisten decken Fehler im
System auf», tritt die 41-jährige Bremerin dem Eindruck entgegen, es
gehe um Gags und Witze auf Kosten von Betroffenen der Krankheit.
Lachen muss der Betrachter auf Anhieb bei den meisten Cartoons, nur
dass er darüber im zweiten Moment oft selbst erschrickt.

Erinnert Tetsches gezeichneter Cartoon-Satz «Klopapier wieder da !!!
Abgabe nur an Ärsche!» mit klarem Witz an die teils grotesk-
aggressiven Klopapier-Hamsterer, mag einem beim Europa-Cartoon
«#LeaveNoOneBehind» von Denis Metz das unvermeidbare Schmunzeln bei
tieferen Hinschauen nicht mehr ganz gelingen. Gezeigt wird ein
ertrinkender Flüchtling im Jahr 2019 mit Badeente in einem großen
Pool, um den herum viele wegschauende Europa-Bademeister stehen. 2020
hat sich daran nichts geändert, nur dass die Bademeister jetzt
Corona-Abstandsregel untereinander einhalten, mit Masken am Poolrand
stehen und: wegschauen.

«Es steht viel Ernst dahinter, und es ist auch nicht mehr witzig,
sondern eigentlich hochpolitisch», sagte Nukic, für die der Cartoon
von Metz zu den Highlights zählt. Die «Havengalerie» liegt in
Bremen-Vegesack, knapp 100 Meter von der Weser in einer kleinen
beschaulichen Seitengasse. Die Räume sind klein, auf zwei Etagen,
insgesamt etwa 90 Quadratmeter. Früher war dort eine Kneipe, heute
ist der Ort Galerie, Werbeagentur und Fotostudio in einem. Eigentlich
wollte Nukic eine Cartoon-Ausstellung zur Fußball-EM zeigen. Als die
abgesagt wurde, war ihr sofort klar, dass Corona Thema werden würde.

Eine Erfahrung, die auch Til Mette machte. In den ersten zwei Monaten
nach dem 15. März habe es kein anderes Thema mehr gegeben. «Man
konnte praktisch nichts anderes mehr zeichnen, weil alles andere
bedeutungslos wurde. Das habe ich so noch nicht erlebt in meinem
Leben.» Das Thema Corona habe einfach alles weggedrängt, weil es so
allumfassend sei und das Leben in allen Bereichen so dramatisch
getroffen habe. Das habe sich inzwischen etwas entschärft.

Die ebenfalls mit Zeichnungen in Bremen-Vegesack vertretene Bettina
Bexte sieht in den Cartoons eine Chance. «Das Komische in der Krise
zu sehen, kann sehr bei der Bewältigung derselben helfen», schrieb
sie zur Ausstellung. Und Bettina Schipping, von der das Titelbild
(«O'steckt ist!») für Ausstellung und Katalogbuch stammt, kommt
lakonisch zu folgendem Schluss: «Von außen betrachtet würde ich
behaupten: Die Menschheit hat die Corona-Krise verdient.
Bedauerlicherweise stecke ich mittendrin.»