Nüchtern durch die Krise

Jahr für Jahr trinken die Deutschen weniger Alkohol. In der
Corona-Krise fließt nun noch weniger Bier - was nicht heißt, dass die
Deutschen ganz auf Alkohol verzichten.

Berlin (dpa) - Die Deutschen bleiben in der Corona-Krise offenkundig
häufiger nüchtern als üblich. In diesem Frühjahr wurde deutlich
weniger Alkohol verkauft als sonst. Nach der Steuerstatistik gingen
der Absatz von Bier kräftig zurück, im Mai sogar um 62 Prozent
gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dafür wurden etwas mehr Spirituosen
verkauft.

«Die gesellschaftlichen Auswirkungen auf den Alkoholkonsum,
Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit infolge der Covid-19-Pandemie
sind derzeit noch nicht abschätzbar», erklärte das
Gesundheitsministerium in seiner Antwort auf eine Anfrage der
FDP-Fraktion. Für die Brauer dagegen ist schon klar: Sie erleben der
stärksten Einbruch seit Gründung der Bundesrepublik.

Kneipen und Restaurants waren im März geschlossen worden, um die
Ausbreitung des neuartigen Coronavirus einzudämmen. Seit Ende Mai
werden die Beschränkungen gelockert. Die Steuereinnahmen beim Akohol
lassen zwar keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Konsum zu, wohl
aber auf den Getränkeabsatz, erläuterte das Ministerium.

Demnach brachte Bier im Mai noch rund 21 Millionen Euro an Steuern
ein - ein Jahr zuvor waren es noch knapp 56 Millionen Euro gewesen.
Sekt und andere Schaumweine legten unterdessen leicht zu, ebenso
Spirituosen. Doch auch Schnaps verkaufte sich trotz leichter Zuwächse
im Mai in diesem Frühjahr nicht ganz so gut wie in den Vorjahren.

«Neben dem Zusammenbruch der Exportmärkte hat die dramatische
Situation des Gastgewerbes in einem Dominoeffekt auf die
Brauwirtschaft übergegriffen und den Fassbierabsatz über Wochen
vollständig einbrechen lassen», erklärte der Brauer-Bund. Marktdaten

deuteten daraufhin, das die Menschen also insgesamt nicht mehr,
sondern tendenziell weniger Alkohol in Krisenzeiten konsumieren.

Auch eine internationale Umfrage im Auftrag von Bier-, Wein- und
Spirituosenherstellern legen diesen Schluss nahe. Jeder vierte
Deutsche gab darin an, in der Corona-Krise deutlich weniger oder gar
nicht mehr Alkohol zu trinken. Nur sechs Prozent der Befragten
griffen jetzt häufiger zum Glas.

Der Brauer-Bund spricht von verheerenden Folgen für seine Mitglieder.
Bis zu 88 Prozent haben Kurzarbeit angemeldet. Schon in den ersten
vier Monaten hätten die größeren der 1500 Brauereien Umsatzeinbußen

von 22 Prozent zu verkraften gehabt, die kleineren von 32 Prozent.

Schnelle Besserung ist demnach nicht in Sicht. «Der Neustart ist für
viele Gaststätten und Kneipen wegen der niedrigen Auslastung aufgrund
behördlicher Auflagen nicht rentabel.» Viele Gäste mieden noch die
Gaststätten.

«Langfristig geht der Alkoholkonsum in Deutschland zurück», stellte
das Gesundheitsministerium fest. Bei Frauen sei der Rückgang stärker
als bei Männern. Trank nach amtlichen Daten 1999 durchschnittlich
noch jeder Deutsche 123 Liter alkoholhaltiges Bier, waren es zwanzig
Jahre später noch 94 Liter.