Corona-Fälle lassen Adria-Tour von Djokovic zum Fiasko werden Von Robert Semmler, dpa

Von strengen Hygienemaßnahmen wie in der Fußball-Bundesliga wollte
der Tennis-Weltranglisten-Erste Novak Djokovic auf seiner Adria-Tour
nichts wissen. Nach Corona-Fällen unter den Teilnehmern gibt es
heftige Kritik aus der Tennis-Szene - und Fragen für kommende Events.

Zadar (dpa) - Mit einem Video sorglos feiernder Tennisprofis auf der
Adria-Tour sorgte Novak Djokovic vor einer Woche schon für viel
Kopfschütteln, angesichts mehrerer Corona-Fälle unter den Teilnehmern
gerät der Weltranglisten-Erste nun immer heftiger in die Kritik. Mehr
noch: Die Infektionen bei Grigor Dimitrow und Borna Coric werfen
Fragen für den weiteren Tennis-Neustart auf. Denn der Hamburger
Alexander Zverev trat wie auch der Österreicher Dominic Thiem bei der
Tour an, beide wollen in drei Wochen in Berlin bei zwei privat
organisierten Turnieren dabei sein, ehe im August die weltweite Tour
wieder starten soll - mit den US Open ab dem 31. August als erstem
Höhepunkt. Zverevs Testergebnis fiel nach eigenen Angaben allerdings
negativ aus.

Als «absolute Katastrophe» geißelte die deutsche Damentennis-Chefin
Barbara Rittner am Montag die Vorgänge und sprach im «Kölner
Stadt-Anzeiger» von einem «Bärendienst», den Djokovic der
Tennis-Familie erwiesen habe. «Die ganze Welt hält Abstand und trägt

Masken. Und an der Adria saß man Schulter an Schulter ohne Masken,
hat nachts gefeiert und sich oberkörperfrei in den Armen gelegen. Da
verstehe ich nicht, in welcher Welt die leben - offenbar in ihrer
eigenen Blase. Einigen ist ihr Erfolg wohl zu Kopf gestiegen»,
schimpfte Rittner.

Während die Veranstalter in Berlin am Montag zunächst abwarten
wollten, reagierten die Organisatoren des Show-Turniers «Thiems7» in
Kitzbühel bereits. Die dort ebenfalls eingeladenen Dimitrow und Coric
müssten nach 14 Tagen in heimischer Quarantäne negative Tests
vorlegen. Dann spreche nichts dagegen, dass beide ab dem 7. Juli
aufschlagen könnten. Die jeweiligen Managements würden in den
nächsten Tagen über diese Option entscheiden. Alle Spieler und ihre
Begleitpersonen würden nach ihrer Ankunft getestet, hieß es. Das
Hygienekonzept sieht 500 Zuschauer vor, Linienrichter gibt es nicht.

Die Hygienemaßnahmen in New York, wo die meisten Profis in einem
Flughafenhotel ohne Zugang nach Manhattan wohnen sollen und einen
deutlich verringerten Betreuerstab auf die Anlage mitbringen dürfen,
kritisierte Djokovic als zu streng. Die Folgen seines Umgangs mit der
Pandemie werden nun deutlich und sorgen für geharnischte Reaktionen,
auch aus dem Kollegenkreis. «Schnelle Genesung, Jungs - aber das
passiert, wenn man alle Vorschriften missachtet», schrieb Nick
Kyrgios bei Twitter. In Großbuchstaben fügte der Australier an: «DAS

IST KEIN WITZ».

Als stur kritisierte Kyrgios, der ab dem 13. Juli ebenfalls im
Berliner Steffi-Graf-Stadion aufschlagen soll, die Fortsetzung der
Adria-Tour in Zadar, wo der Kroate Coric am Samstag das Duell zweier
Infizierter klar gegen den danach ausgestiegenen Bulgaren Dimitrow
gewann. Er fühle sich gut und zeige keine Symptome, teilte der 23
Jahre alte Weltranglisten-33. am Montag via Twitter mit. Doch Coric
empfahl auch allen, die mit ihm in Kontakt gewesen seien, sich testen
zu lassen und entschuldigte sich für mögliche Folgen. Djokovic habe
sich nach seiner Rückkehr in Belgrad testen lassen, berichtete der
staatliche serbische Sender RTS unter Bezug auf sein PR-Team.

«Ich habe gerade die Nachricht erhalten, dass mein Team und ich
negativ auf COVID-19 getestet wurden», teilte Zverev am Montag mit.
Er kündigte als Vorsichtsmaßnahme weitere regelmäßige Tests an und

wolle den Quarantäne-Ratschlägen der Ärzte folgen. «Ich entschuld
ige
mich bei jedem, den ich potenziell einem Risiko ausgesetzt habe»,
schrieb der 23-Jährige.

Nach dem Auftakt-Event seiner Tour, mit der Spenden gesammelt werden
sollen, hatte Djokovic mit Verweis auf ein Party-Foto noch
getwittert: «Die Jungs hatten gestern Abend Spaß. Ich habe einige
Männer ohne Hemden gesehen.» Erwähnt hatte er Zverev, Thiem, Dimitrow

und den Serben Filip Krajinovic. Mittlerweile ist der Tweet nicht
mehr im Kanal des 33-Jährigen zu finden, der vorige Woche beteuerte,
es sei nicht gegen örtliche Regeln verstoßen worden.

Das Finale am Sonntagabend in Zadar zwischen Djokovic und dem Russen
Andrej Rubljow - der ebenfalls in Kitzbühel spielen soll - wurde
abgesagt. Zu den mittlerweile getesteten Besuchern zählte am Samstag
auch Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic. Er habe mit
Djokovic, dessen Trainer Goran Ivanisevic und Marin Cilic gesprochen.
Ein Regierungssprecher sagte der Zeitung «24Sata», das Treffen mit
den Grand-Slam-Turniersiegern habe zwei bis drei Minuten gedauert, es
habe kein Händeschütteln oder engen Kontakt gegeben.

Schon dass zum Auftakt in Belgrad die Zuschauer dicht nebeneinander
saßen, hatte für Kopfschütteln bei Kritikern gesorgt. Die Spieler
umarmten sich mitunter sogar am Netz. «Ich verstehe das nicht»,
schrieb die einstige Weltranglisten-Erste Chris Evert, «kein
Sicherheitsabstand, totaler physischer Kontakt, keine Gesichtsmasken,
sogar die Fans hatten keine Masken.» Die 65-jährige Amerikanerin
wunderte sich: «Ich kapiere das nicht, nicht klug...». Ihr Wunsch, es
möge außer Dimitrow keinen weiteren positiv Getesteten geben,
zerschlug sich rasch.