Tönnies-Fleischfabrik 14 Tage geschlossen - 1029 Corona-Infizierte

Die Behörden im Kreis Gütersloh arbeiten intensiv daran, den
massenhaften Corona-Ausbruch in Deutschlands größtem Fleischbetrieb
in den Griff zu bekommen. Das Virus wurde schon bei mehr als 1000
Mitarbeitern nachgewiesen. Die Fabrik wurde für 14 Tage geschlossen.

Gütersloh (dpa) - Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten
Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sind mittlerweile 1029 Mitarbeiter
positiv auf das Virus getestet worden. Dies teilte der Landrat des
Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, am Samstag in Gütersloh mit.
Die Fabrik wurde für 14 Tage geschlossen.

Insgesamt 3127 Befunde lägen mittlerweile vor, so Adenauer. Er
betonte: «Wir haben keinen signifikanten Eintrag von Corona-Fällen in
die allgemeine Bevölkerung. Wenn wir das Geschehen rund um die Firma
Tönnies nicht hätten, hätten wir es im Kreis Gütersloh mit einem ga
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normalen Verlauf zu tun.»

Die Fabrik in Rheda-Wiedenbrück ist Deutschlands größter
Fleischbetrieb. Er sei jetzt für 14 Tage geschlossen worden, sagte
der Leiter des Krisenstabes, Thomas Kuhlbusch. Nachlaufarbeiten seien
unter Arbeitsquarantäne-Bedingungen noch möglich. Das bedeutet, dass
die Mitarbeiter sich zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen -
ausschließlich.

Die Behörden hatten große Schwierigkeiten, an die Adressen der
Mitarbeiter zu kommen. Nachdem am Freitagvormittag immer noch 30
Prozent der Adressen gefehlt hätten, hätten sich der Kreis Gütersloh

und der Arbeitsschutz in der Nacht zum Samstag Zugriff auf die
Personalakten der Firma Tönnies verschafft. «Das Unternehmen hatte es
nicht geschafft, uns alle Adressen zu liefern», sagte Landrat
Adenauer. Die Behörden seien gemeinsam am Freitagabend in die
Konzern-Zentrale gegangen. Am Samstagmorgen um 01.30 Uhr sei man
fertig gewesen. Jetzt lägen 1300 Adressen von Wohnungen allein für
den Kreis Gütersloh vor.

Das Verhältnis zwischen dem Kreis und der Firma ist entsprechend
zerrüttet. «Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist
gleich Null. Das muss ich so deutlich sagen», sagte Kuhlbusch weiter.

Vor dem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück protestierten am Samstagmittag
rund 60 Menschen gegen den Konzern. «Wir sind hier, wir sind laut,
weil ihr den Menschen die Rechte klaut», riefen die Demonstranten.
Zahlreiche Menschen hielten Plakate hoch, auf denen etwa
stand: «Stoppt das System Tönnies» und «Tiere sind keine Ware».

Einige Protestierende hatten sich mit Kunstblut bemalt. Organisiert
hatten den Protest mehrere Umwelt- und Tierschutzorganisationen,
unter anderem Fridays for Future.

Auch die Corona-Reihenuntersuchungen auf dem Gelände der
Fleischfabrik wurden am Samstag fortgesetzt. Nachdem am Freitag
bereits 25 Bundeswehrsoldaten die Maßnahmen unterstützten, wurden am
Samstag 40 weitere hinzugeholt. «20 davon helfen bei der
Dokumentation und 20 helfen bei der Kontaktpersonennachverfolgung»,
sagte Bundeswehrsprecher Uwe Kort. Die Kräfte seien mit zehn
Fahrzeugen der Bundeswehr unterwegs und würden gemeinsam mit
medizinischem Personal und Mitarbeitern des Kreises Gütersloh
Unterkünfte abfahren und dort Menschen testen. Laut Kort sprechen die
Soldaten osteuropäische Sprachen, um sich mit den Arbeitern
verständigen zu können.

Der Kreis hatte am Freitag verfügt, dass alle rund 6500
Tönnies-Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück mitsamt allen
Haushaltsangehörigen in Quarantäne müssen. Das Land will die
Quarantäneanordnung für die Mitarbeiter konsequent durchsetzen. Es
werde dazu alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, hatte
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitagabend in
Düsseldorf gesagt. «Wir müssen sicherstellen, dass in dieser
Situation jeder sich an die Regeln hält.» Einen Corona-Ausbruch habe
es «in dieser Größe» in NRW bisher nicht gegeben.

Einen regionalen Lockdown hatte Laschet ausdrücklich nicht
ausgeschlossen. Das Infektionsgeschehen könne noch lokalisiert
werden. «Sollte sich dies ändern, kann auch ein flächendeckender
Lockdown in der Region notwendig werden», hatte Laschet am
Freitagabend in Düsseldorf gesagt.

Die Polizei ist auf einen Großeinsatz eingestellt. Bei der Polizei
Bielefeld wurde eine sogenannte BAO, eine Besondere
Aufbauorganisation gebildet, die mögliche Einsätze landesweit
koordiniert. Beamte einer Einsatzhundertschaft verteilten sich am
Samstag im Gebiet des Kreises Gütersloh. Nach Angaben einer
Sprecherin der Polizei Bielefeld sollen sie bei Anforderung durch die
Ordnungsbehörden unterstützend tätig werden, «beispielsweise wenn
Kontrollen durchgeführt werden». Dies war nach ihren Angaben bis zum
Mittag noch nicht der Fall. «Wir werden als Polizei nicht
eigeninitiativ tätig», sagte die Sprecherin.

Der massenhafte Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück war am
Mittwoch bekannt geworden. Bereits im Mai war es auf einem
Schlachthof des Konkurrenzunternehmens Westfleisch im Kreis Coesfeld
zu einem Corona-Ausbruch gekommen. Das nordrhein-westfälische
Landeskabinett will sich am Sonntag in einer Sondersitzung mit dem
Ausbruch bei Tönnies beschäftigen.