Corona-Ausbruch bei Tönnies: Soldaten nehmen Proben - neue Proteste

Bei den Corona-Reihentests in Rheda-Wiedenbrück hilft jetzt auch die
Bundeswehr. Auf dem Gelände des Schlachtbetriebs Tönnies nahmen
Soldaten am Freitag erste Proben. Vor dem Werk gab es wieder
Proteste.

Rheda-Wiedenbrück (dpa/lnw) - Nach dem hundertfachen Corona-Ausbruch
in Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrüc
k
hilft die Bundeswehr bei den angeordneten Massentests. Am Freitag
trafen 25 Soldaten ein und nahmen erste Proben bei Mitarbeitern. Sie
beteiligten sich auch an organisatorischen Arbeiten: «Es wurden
Absperrungen und Zäune aufgebaut», sagte der Sprecher der Bundeswehr
in NRW, Uwe Kort. Die Soldaten kommen aus Augustdorf im benachbarten
Kreis Lippe und aus Rheinland-Pfalz. «Der Kreis hat aber weiter die
Verantwortung», so der Bundeswehr-Sprecher weiter. «Wir unterstützen

nur.»

Nach Angaben des Kreises Gütersloh wurden mittlerweile 3500 Tests bei
der Firma Tönnies vorgenommen. Am Freitag seien allein 1450
Mitarbeiter getestet worden, berichtete der Kreis am späten
Nachmittag. Bislang wurden insgesamt 803 Infizierte registriert. 463
Testergebnisse waren negativ. Die restlichen Befunde stehen noch aus.

Bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld gingen fünf Strafanzeigen ein:
Darunter sei auch eine Anzeige der Bielefelder Bundestagsabgeordneten
Britta Haßelmann (Grüne), sagte Oberstaatsanwalt Martin Temmen.
Ermittelt werde jetzt gegen Unbekannt wegen des Anfangsverdachts auf
fahrlässige Körperverletzung und Verstoßes gegen das
Infektionsschutzgesetz.

Vor dem Werk des Schlachtereibetriebs Tönnies kam es am Freitag
wieder zu Protesten. Ein Mitglied der Tierrechtsorganisation Peta
hatte sich als Tod mit Sense in der Hand verkleidet. Ein Stück weiter
standen Oliver und Veronika Oekenpöhler mit Hund Pablo an der Leine.
Das Ehepaar wohnt im nahen Stukenbrock. «Ich habe heute morgen sofort
gesagt, wir müssen hierhin und protestieren», sagte Veronika
Oekenpöhler. «Wir wollen die Missstände hier nicht hinnehmen.» Sie

habe bereits im vergangenen Jahr gegen die Arbeitsbedingungen und die
Tierhaltung bei Tönnies protestiert.

Der Ausbruch hat Auswirkungen auf zahlreiche Nachbarstädte in der
Region, in denen Tönnies-Mitarbeiter wohnen. In der rund 40 Kilometer
entfernten Stadt Hamm wurden drei Schulen bis zu den Sommerferien
geschlossen, nachdem drei Kinder von Tönnies-Mitarbeitern positiv
getestet worden waren. «Alle Lehrer und Schüler der jeweiligen
Klassen sowie alle weiteren Kontaktpersonen der infizierten Kinder
werden vom städtischen Coronamobil getestet und bis zum Testergebnis
unter Quarantäne gestellt», berichtete die Stadt. Betroffen von der
Quarantäne sind eine Grund-, eine Real- und eine Hauptschule.
Insgesamt lebten 95 Tönnies-Mitarbeiter in Hamm.

Die niedersächsische Stadt Osnabrück ordnete für alle in der Stadt
wohnenden Beschäftigten des Unternehmens 14 Tage Quarantäne an. Es
sei nicht auszuschließen, dass die bei Tönnies Infizierten weitere
Beschäftigte angesteckt hätten, teilte die Stadt mit. Die Quarantäne

gelte sowohl für direkt bei Tönnies Beschäftigte als auch für
Mitarbeiter von Subunternehmen. Das nordrhein-westfälische
Rheda-Wiedenbrück ist mit dem Auto rund 70 Kilometer von Osnabrück
entfernt.

Bereits am Donnerstag hatte der Landkreis Osnabrück für alle
Tönnies-Mitarbeiter aus Rheda-Wiedenbrück, die im Osnabrücker Land
wohnen, eine vierzehntägige Quarantäne angeordnet. Außerdem sollen
Beschäftigte eines Tönnies-Schlachthofs in Badbergen wöchentlich auf

Corona getestet werden. Ein Personalaustausch zwischen den
Schlachthöfen ist inzwischen bis zum 29. Juni verboten.

Auch im Kreis Warendorf sind alle Tönnies-Mitarbeiter unter
Quarantäne gestellt. Der Kreis empfahl allen Personen, die mit
Tönnies-Mitarbeitern zusammenleben, sich ebenfalls in Quarantäne zu
begeben. Bis Freitag wurden der Kreisverwaltung 110 infizierte
Mitarbeiter bekannt. Die meisten davon lebten in Oelde, berichtete
der Kreis. Im Kreisgebiet lebten 680 Mitarbeiter, die bei externen
Dienstleistern beschäftigt seien. Hinzu kämen noch etwa 300
festangestellte Tönnies-Mitarbeiter. In der besonders stark
betroffenen Stadt Oelde waren die Schulen und Kindergärten seit
Donnerstag geschlossen. Am Montag sollen sie wieder öffnen.

Die Bundesregierung drang auf Eindämmung des Ausbruchs. Es komme
jetzt darauf an, möglichst schnell die Infektionsketten zu
unterbrechen, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in
Berlin. Daher sei es richtig, dass im Landkreis Gütersloh in großem
Maßstab Reihentests angeordnet worden seien. Eine neue Verordnung
ermöglicht mehr Tests auch ohne Symptome auf Kassenkosten. Das Robert
Koch-Institut habe Kontakt mit dem Gesundheitsamt vor Ort.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sprach von
einem «sehr schweren Ausbruchsgeschehen», das nun unter Kontrolle zu
bringen sei. Dieser erneute Corona-Fall zeige, dass die Pandemie noch
nicht vorbei sei. Die Einhaltung von Abstand und Hygieneregeln sei
wichtig, gerade auch bei Unternehmen, in denen Menschen auf engem
Raum zusammenarbeiteten und untergebracht seien.