Virus-Spuren schon im Dezember im Abwasser in Italien

Wie lange ist das Corona-Virus in Europa schon im Umlauf? Womöglich
viel länger als offiziell bekannt. Forscher in Italien finden dazu
nun Aufschlussreiches in Abwasser.

Rom (dpa) - Das Coronavirus zirkulierte in Italien offenbar schon
Monate vor dem Bekanntwerden des Ausbruchs. Spuren des Erregers
seinen in Abwasserproben aus Mailand und Turin entdeckt worden, die
aus dem vergangenen Dezember stammen, teilte das oberste italienische
Gesundheitsinstitut ISS am Donnerstagabend in Rom mit. Die
Gewässerproben seien wie «Spione» für den Umlauf des Virus in der
Bevölkerung eingesetzt worden.

Erst Ende Februar waren zwei Infektionsherde in Italien
bekanntgeworden, in Codogno in der Lombardei und in dem Ort Vo in
Venetien. Experten gehen seit langem davon aus, dass das Virus aber
schon Wochen vorher in Italien kursierte. China hatte Ende Dezember
erste Fälle an die Weltgesundheitsorganisation gemeldet.

Für die Studie untersuchte das Institut 40 Abwasserproben aus
Kläranlagen der norditalienischen Städte, die von Oktober 2019 bis
Februar 2020 gesammelt worden waren, wie ISS-Forscherin Giuseppina La
Rosa erklärte. Zudem wurden 24 Kontrollproben von September 2018 bis
Juni 2019 ausgewertet, in denen das Virus sicher ausgeschlossen
werden konnte.

Erbgut von Sars-Cov-2 war demnach in Proben aus Mailand und Turin vom
18. Dezember 2019 und aus Bologna vom 29. Januar 2020 nachweisbar. In
denselben Städten wurden im Januar und Februar ebenfalls positive
Proben gefunden. Die Proben vom Oktober und November 2019 waren
dagegen alle negativ.

Das ISS betonte, dass die Entdeckung der Virusspuren nicht
automatisch bedeute, dass die Hauptübertragungsketten, die zu dem
schweren Verlauf der Epidemie in Italien geführt haben, aus diesen
allerersten Fällen entstanden seien. Für die Kontrolle der
Verbreitung des Virus könnten Gewässerproben aber hilfreich sein. Das
ISS wies auf Abwasser-Studien in Frankreich und Spanien hin, die zu
ähnlichen Ergebnissen gekommen seien.

In Italien sind mehr als 34 500 Menschen im Zuge der Pandemie
gestorben, fast 240 000 haben sich nach Angaben des Zivilschutzes
bisher mit dem Virus angesteckt. Besonders betroffen sind die
Regionen Lombardei mit der Metropole Mailand, Piemont mit der Stadt
Turin, Venetien und die Emilia-Romagna.

Die Regierung in Rom hatte Provinzen in der Lombardei und in Venetien
Ende Februar zum Sperrgebiet erklärt. Mittlerweile wurde Kritik laut,
dass die gesamten Regionen früher abgeriegelt hätten werden sollen.
Italien wurde in Europa als erstes hart von der Pandemie getroffen.

Das ISS kündigte ein Pilotprojekt an, bei dem Abwasser in
Touristenorten im Juli untersucht werden soll. Ein landesweites
Monitoring-Netzwerk soll zudem Aufschluss über die Verbreitung des
Virus geben. Abwasser sei ein «strategisches» Werkzeug für ein
Frühwarnsystem, da das Virus dort eventuell schon früher nachgewiesen
werden könne als beim Menschen.