Vermutung: West-Nil-Virus etabliert sich in Deutschland

Mit dem Sommer kommen die Mücken. Eine Art kann auch in Deutschland
die Tropenkrankheit West-Nil-Virus auf Menschen übertragen. 2019 gab
es das erste Mal Nachweise für Infektionen in Deutschland. Bei einem
warmen langen Sommer könnte das wieder passieren, mutmaßen Experten.

Berlin (dpa) - Das Robert Koch-Institut (RKI) hält Ansteckungen mit
der Tropenkrankheit West-Nil-Fieber in Deutschland dauerhaft für
möglich. Erfahrungen mit dem Erreger in südeuropäischen Ländern
ließen vermuten, dass sich das West-Nil-Fieber in Deutschland
etablieren und wahrscheinlich weiter ausbreiten werde, heißt es im
jüngsten Epidemiologischen Bulletin des Instituts. Vor allem längere
Sommer mit hohen Temperaturen könnten zu einer verlängerten Saison
und einer weiteren räumlichen Ausbreitung beitragen.

Das West-Nil-Virus ist ein aus Afrika stammender Erreger, der durch
Zugvögel auch nach Europa verbreitet wird. Hauptsächlich wird das
Virus von Stechmücken zwischen wildlebenden Vögeln übertragen. An
Vögeln infizierte Mücken können den Erreger aber auch auf Säugetier
e
- vor allem Pferde - und auf Menschen übertragen. Im Gegensatz zu
Vögeln können Pferde und Menschen aber nicht zu einer Virusquelle für

Mücken werden.

Der Erreger sei offenbar in der Lage in Deutschland zu überwintern,
heißt es im Bulletin. 2018 wurde das Virus bereits bei Vögeln und
Pferden nachgewiesen. 2019 gab es in Ostdeutschland im Spätsommer
erstmals fünf diagnostizierte Infektionen beim Menschen, die
vermutlich auf Mückenübertragung im Inland zurückgingen. Registriert

wurde das Virus bei Patienten in Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Das wärmebegünstigte Gebiet am Oberrhein gilt für das RKI als
weiteres Risikogebiet.

Der Erreger kann in Deutschland von den weit verbreiteten Stechmücken
der Gattung Culex übertragen werden. In Südeuropa wird es schon seit
langem saisonal im Sommer übertragen und kann auch dort überwintern.

Vor 2019 waren Ansteckungen ausschließlich bei Reisenden nach ihrer
Rückkehr nach Deutschland festgestellt worden. Das Virus ist in
Afrika, Israel, der Westtürkei, dem Mittleren Osten, Indien, Teilen
Südostasiens und inzwischen auch in Nord- und Teilen Mittelamerikas
verbreitet. Im Ausland steckten sich 2019 nachweislich sieben
Bundesbürger an. Todesfälle wurden nicht bekannt.

Da nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome zeigt und generell
nur etwa einer von 100 Infizierten schwer erkrankt, geht das RKI von
weiteren nicht-diagnostizierten Infektionen aus. Mit der Meldepflicht
seit 2016 könnten nun wahrscheinlich auch überproportional häufig
schwere Verläufe entdeckt werden, weil bei leichten Erkrankungen
seltener eine Labordiagnostik eingeleitet werde. Menschen in hohem
Alter oder mit Immunschwäche gelten als besonders gefährdet.

Nach einer Infektion entwickelt rund ein Fünftel der Infizierten eine
fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung, die etwa drei bis sechs Tage
andauert. Der Krankheitsbeginn ist abrupt mit Fieber, Schüttelfrost,
Kopf- und Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit und
Lymphknotenschwellungen verbunden. In seltenen Fällen entwickelt sich
eine Gehirnentzündung.

Ärzte sollten vor allem im Sommer und Spätsommer in Gebieten mit
Nachweisen für das Virus bei solchen Symptomen auch an
West-Nil-Fieber denken, rät das RKI. Eine Übertragung sei auch durch
Organtransplantationen, Bluttransfusionen sowie während der
Schwangerschaft möglich.

Einen Impfstoff gibt es bisher nicht. Deshalb gilt Mückenschutz als
bestes Mittel. Dazu zählen an Orten mit vielen Mücken unter anderem
das Tragen von langärmeligen Hemden oder Blusen und langen Hosen, die
Anwendung von Sprays, der Gebrauch von Moskitonetzen und
Fenstergitter.