Kein Versorgungsengpass durch Schlachtstopp befürchtet

Nach einem Corona-Ausbruch bei Tönnies steht der größte deutsche
Schlachtbetrieb für Schweine still. Für die Verbraucher hat das
zunächst keine Folgen, sagt ein Experte. Für Landwirte könnte das
anders aussehen.

Bonn (dpa) - Die vorübergehende Schließung des größten deutschen
Schlachtbetriebs von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück wird nach
Einschätzung von Marktbeobachtern nicht zu Versorgungsengpässen
führen. «Fleisch wird in Deutschland nicht knapp, auch nicht
Schweinefleisch», sagte Tim Koch von der Agrarmarkt
Informations-Gesellschaft in Bonn.

Ob der nach einem großen Corona-Ausbruch verfügte Stillstand der
Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück zu höheren Preisen für Verbrauch
er
führen werde, sei erst in einigen Wochen abzusehen, sagte Koch der
Deutschen Presse-Agentur. Der Handel habe in der Regel mit den
Schlachtunternehmen längerfristige Verträge zu Mengen und Preisen
abgeschlossen.

Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück gibt es nach Angaben des Kreises
Gütersloh inzwischen 730 registrierte Neuinfektionen. Ausgewertet
wurden 1106 Ergebnisse eines von den Behörden angeordneten
Reihentests, der am Donnerstag fortgesetzt wurde. Im
Tönnies-Stammwerk müssen in den nächsten Tagen noch rund 5300
Mitarbeiter getestet werden.

In Rheda-Wiedenbrück werden nach Angaben von Tönnies pro Tag 20 000
Schweine geschlachtet und zerlegt. Die Branche habe eine Reihe
von Stellschrauben, um die bei Tönnies ausfallenden
Schlachtkapazitäten zumindest teilweise auszugleichen, sagte
Agrarfachmann Koch. Tönnies wolle die Zahl der Schlachtungen an
anderen Standorten erhöhen, auch andere Unternehmen hätten diese
Möglichkeit.

Die Zahl der in Deutschland geschlachteten Schweine falle schon seit
einiger Zeit, die Schlachtkapazität sei aber nicht entsprechend
gesunken, sagte Koch. Auch könne der Import von Schlachtschweinen
zeitweise reduziert werden, um den Druck auf die deutsche
Schweinemäster zu verringern.

Probleme kann der Stillstand bei den Schlachtungen in
Rheda-Wiedenbrück den Schweinemästern bereiten. Wenn ein Mäster
innerhalb von ein bis zwei Wochen seine Tiere nicht vermarkten könne,
könnte es bereits Schwierigkeiten geben, sagte Miriam Goldschalt,
Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen
Tierschutzbund.

«Das ist alles sehr streng getaktet», sagte Goldschalt. Es drohten in
den Stallungen Platzprobleme, weil neue Jungtiere angeliefert würden
und nicht klar sei, wohin mit den älteren Tieren. «Das Schwein
verliert ab einem gewissen Punkt mit zunehmendem Gewicht an Wert»,
sagt Goldschalt. Ein Grund sei die Vorliebe der Deutschen für mageres
Fleisch.

Auch ein Sprecher des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes
meinte: «Ein, zwei Wochen können die Bauern die Situation
vergleichsweise verlustarm überbrücken. Dauert die Schließung länge
r,
kommen auf die Schweinemastbetriebe Probleme zu.» Würden die auf ein
bestimmtes Zielgewicht hin gemästeten Schweine zu fett, drohten
Verluste durch Preisabzüge.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden im vergangenen Jahr
55,1 Millionen Schweine in Deutschland geschlachtet, 3,0 Prozent
weniger als 2018. Davon wurden rund 3,3 Millionen Schlachtschweine
aus dem Ausland importiert.