Schulen und Kitas wieder zu: Wut und Sorgen im Kreis Gütersloh Von Stella Venohr, dpa

Geschlossene Schulen und Kindertagesstätten und hunderte Infizierte
sorgen für Wut und Unverständnis bei den Menschen im Kreis Gütersloh.

Die Verantwortung für den Ausbruch sehen sie bei dem
Schlachtereibetrieb Tönnies.

Rheda-Wiedenbrück (dpa) - Elena Engenhorst steigen die Tränen in die
Augen. Ihr Sohn spielt an einer Wasserstelle. Der Fünfjährige hüpft
mit seinen blauen Gummistiefeln auf und ab. Daneben steht der
Kinderwagen mit dem anderen Sohn. «Der Große war erst eine Woche
wieder in der Kita und abends beim Einschlafen hat er mich noch
gefragt, was wohl am nächsten Tag in der Kita Schönes passieren
wird», so die junge Mutter. «Und jetzt muss ich ihm erklären, dass er

wieder nicht hingehen darf.» Sie habe Angst, dass die Spielplätze
auch wieder zu machen. «Wir Erwachsenen können diese soziale Distanz
akzeptieren, aber für unsere Kinder ist das kaum aushaltbar», sagt
die Mutter.

Ähnlich geht es auch Paulina Twardowski. «Ich bleibe zur Zeit
Zuhause, um mein zweijährige Tochter zu betreuen», so die
alleinerziehende Mutter. Sie sei an ihrer Belastungsgrenze. «Das wird
eine sehr anstrengende Zeit für mich und die Kleine», sagt
Twardowski.

Für Dirk Ködding von der Grundschule Neisseweg in Gütersloh kam die
Nachricht der Schulenschließung völlig überraschend. «Wir sind alle

tieftraurig», so der Schulleiter. «Vor allem die Viertklässler tun
mir sehr leid, denn für die wird es nun keinen normalen Abschied
geben.» Bei den Kleinen seien Tränen geflossen. Auch einige Eltern
hätten sich bereits bei der Schule gemeldet. «Da gibt es nun viele
Unsicherheiten besonders in Bezug auf die Notbetreuung», sagt
Ködding. Diese werde aber stattfinden.

Der Corona-Ausbruch bei Tönnies ist vielerorts im Kreis
Hauptgesprächsthema. So auch bei Lara Köppikus. Die 17-Jährige hat
erst vor kurzem ihr Fachabitur gemacht. «Ich habe von dem Vorfall bei
Tönnies bei Facebook gehört», so die Schülerin. «Da gab es viele

Posts und  Nachrichten.» Sie selbst mache sich nicht so große Sorgen

zu erkranken. Dennoch wolle sie sich nun wieder häufiger die Hände
desinfizieren.

Auch bei dem Friseur Abdullah Yildiz dreht sich nun alles um den
Corona-Ausbruch bei dem Schlachtereibetrieb. «Die Kunden, die da
waren, haben alle nur darüber gesprochen», so der 34-Jährige. «Wir

mussten wegen Corona schon sechs Wochen zumachen und haben Angst,
dass das wieder passiert.» Viele Läden hätten nicht so große
Rücklagen um die Krise zu überbrücken. Die ganze Innenstadt werde
darunter leiden.

«Ich wollte mich eigentlich zum 1. August selbstständig machen», so
der Friseur. «Keine Ahnung, wie das nun gehen soll.» Außerdem habe er

Sorge, wie bei den Arbeitern bei Tönnies nun die Quarantäne
eingehalten werden solle. «Das sind 7000 Menschen, wie soll das
kontrolliert werden?» Tönnies hätte diesen Ausbruch verhindern
müssen, schließlich habe der Konzern riesige Macht in der Region,
sagt er.

«Mich macht das traurig, denn das ist eine Katastrophe für die
Stadt», sagt auch Jürgen Holtkamp, der draußen vor einer Kneipe sitzt

und eine Cola trinkt. »Mir tun die Mitarbeiter bei Tönnies leid.» Die

Arbeitsbedingungen seien «furchtbar», glaubt er. Das sieht auch sein
Freund Andreas Kersting so. Für die beiden Männer trägt Clemens
Tönnies als Unternehmer die Verantwortung für den Corona-Ausbruch.