Corona-Pandemie in Brasilien spitzt sich weiter zu

Lateinamerika ist der neue Brennpunkt in der Corona-Krise. In
Brasilien steigen die Fallzahlen weiter rasant an. Nur in den
USA gibt es mehr nachgewiesene Infektionen - und auch dort ist die
Pandemie längst nicht ausgestanden.

Rio de Janeiro/Washington (dpa) - Die Coronavirus-Pandemie spitzt
sich in Brasilien weiter zu. Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen
innerhalb von 24 Stunden erreichte am Dienstagabend mit fast 35 000
nach den Daten des Gesundheitsministeriums einen neuen
Tageshöchststand - angesichts mangelnder Tests könnte sie tatsächlich

noch höher liegen. Das Portal «G1» sprach für den Zeitraum von
Montagabend bis Dienstagabend (Ortszeit) von 37 300 nachgewiesenen
Neuinfektionen. Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass mindestens
siebenmal so viele Menschen infiziert und mindestens doppelt so viele
gestorben sind als bislang bekannt.

Nur in den USA wurden bislang insgesamt mehr Infektionen (mehr als
2,13 Millionen) verzeichnet als in Brasilien, wo die Fallzahl am
Mittwoch insgesamt bei mehr als 923 000 lag. Die beiden Länder führen
die Statistik auch mit Blick auf die Toten im Zusammenhang mit dem
Virus Sars-CoV-2 an. In den USA - einem Land mit rund 330 Millionen
Einwohnern - starben nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität rund
117 000 Menschen, in Brasilien demnach mehr als 45 000. Brasilien hat
210 Millionen Einwohner und ist 24 Mal so groß wie Deutschland.

Vergleichen lassen sich die Fallzahlen der einzelnen Länder nur
begrenzt angesichts der unterschiedlichen Testquote und der oft
hohen Dunkelziffer. Relativ zur Einwohnerzahl ist die Zahl der Toten
durch das Virus in Ländern wie Italien oder Großbritannien höher als

in den USA oder Brasilien.

Trotz der steigenden Fallzahl hat Lateinamerikas
bevölkerungsreichstes Land vielerorts Maßnahmen zur Eindämmung der
Ausbreitung des Virus gelockert. Geschäfte und Strände sind
inzwischen wieder geöffnet. Präsident Jair Bolsonaro hatte die vom
Virus ausgelöste Krankheit Covid-19 zu Beginn der Pandemie als
«kleine Grippe» verharmlost und damit für Verwirrung und Chaos
gesorgt.

Mehr als ein Viertel der neu registrierten Todesfälle gab es im
Bundesstaat São Paulo, gefolgt vom Staat Rio de Janeiro mit der
gleichnamigen Stadt am Zuckerhut. In beiden Staaten gab es bisher
auch die meisten Toten.

In den USA verzeichneten mehrere Bundesstaaten einen Höchststand
an Neuinfektionen innerhalb eines Tages seit Beginn der
Gesundheitskrise. In Florida wurden am Dienstag 2783 nachgewiesen, in
Texas 2622 und in Arizona 2392, wie aus offiziellen Daten der
Bundesstaaten und der Universität Johns Hopkins hervorgeht. Auch in
anderen Staaten steigen die Fallzahlen seit der von US-Präsident
Donald Trump vorangetriebenen Öffnung der Wirtschaft wieder an.

Im besonders stark von der Pandemie betroffenen Bundesstaat New York
dagegen, wo es strenge Beschränkungen gab und die Lockerungen nur
langsam anlaufen, sinken die Zahlen weiter. Am Dienstag seien 17
Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben, sagte
Gouverneur Andrew Cuomo bei seiner täglichen Pressekonferenz am
Mittwoch. Von den rund 59 000 am Dienstag durchgeführten Tests sei
weniger als 1 Prozent positiv gewesen. «Das ist einer der besten Tage
für New York seit all das begonnen hat», sagte Cuomo. Insgesamt haben
sich in dem Bundesstaat mit rund 19 Millionen Einwohnern bereits
knapp 390 000 Menschen mit dem Virus infiziert, mehr als 30 000
starben nach einer Infektion, teilweise rund 800 pro Tag.

Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, erklärte den drastischen
Anstieg in seinem Staat am Dienstag mit der Vielzahl an Tests, die
mittlerweile durchgeführt würden. Der texanische Gouverneur Greg
Abbott erklärte, man müsse sich die Gründe genau ansehen, die hinter

den teils sprunghaften Anstiegen stünden. So seien Daten aus einigen
Bezirken in seinem Bundesstaat mit Verspätung und damit gesammelt
übermittelt worden, erklärte Abbott am Dienstag. Der Gouverneur
verwies auch darauf, dass zuletzt mehr unter 30-Jährige positiv auf
das Coronavirus getestet wurden, weil diese sich vermehrt träfen,
beispielsweise in Bars.

Eine zweite Ansteckungswelle sei «nicht vermeidbar», sagte der
US-Immunologe Anthony Fauci am Dienstag (Ortszeit) dem öffentlichen
Radiosender WAMU. Doch die US-Staaten müssten in der Lage sein,
Kontakte Infizierter zurückverfolgen zu können, um neue Ausbrüche zu

vermeiden. Fauci rief zudem Teilnehmer der Proteste gegen Rassismus
und Polizeigewalt dazu auf, Gesichtsmasken zu tragen.

Wissenschaftlern zufolge müssen sich die USA bis zum Herbst auf
Zehntausende weitere Tote infolge der Pandemie einstellen. Die
Forscher des Instituts IHME der Universität Washington in Seattle
gehen in ihrer Projektion inzwischen davon aus, dass die USA bis zum
1. Oktober die Zahl von 200 000 Toten übersteigen könnten.