Zweite Genehmigung für Corona-Impfstoffstudie in Deutschland erteilt Von Anja Garms, dpa

Gerade ist der Bund bei CureVac eingestiegen - nun startet das
Unternehmen erste klinische Tests mit seinem Impfstoff-Kandidaten.
Die Nase vorn hat derzeit ein anderer Wirkstoff, wobei noch nicht
klar ist, ob er tatsächlich effektiv vor Corona schützen kann.

Langen (dpa) - Nur ein Impfstoff kann das Coronavirus wirklich
aufhalten und die Pandemie in absehbarer Zeit beenden, darin sind
sich die meisten Experten einig. An der Entwicklung wird mit
Hochdruck gearbeitet, auch in Deutschland. Das Tübinger Unternehmen
CureVac darf nun mit klinischen Tests seines Impfstoffkandidaten
beginnen. Die Genehmigung dafür sei erteilt, hieß es am Mittwoch vom
zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen. Noch im Juni
sollen im Rahmen der Phase-1-Studie erste Probanden geimpft werden.

Nach der Mainzer Firma Biontech ist CureVac das zweite Unternehmen in
Deutschland, das einen Impfstoff testen darf. Weltweit laufen nach
PEI-Angaben 130 Impfstoffprojekte, zehn Kandidaten befinden sich
bereits in klinischer Prüfung, zwei in den fortgeschrittenen Phasen 2
und 3.

«Wir sind davon überzeugt, mit unserem Impfstoffkandidaten gegen
Sars-CoV-2 auf dem richtigen Weg zu sein», sagte Mariola
Fotin-Mleczek, für Technologie zuständiges Vorstandsmitglied des
Unternehmens. Die Tests an verschiedenen Tiermodellen seien
erfolgreich verlaufen, der Wirkstoff rufe eine ausgewogene
Immunantwort hervor.

CureVac arbeitet seit dem Jahr 2000 an der Entwicklung von
mRNA-Therapien und bezeichnet sich selbst als Pionier auf dem Gebiet.
Die Arbeiten am potenziellen Corona-Impfstoff hätten im Januar
begonnen, hieß es. Er zählt zu den sogenannten genbasierten
Impfstoffen und beruht auf einem mRNA-Molekül.

mRNA ist eine Art Botenmolekül, in dem die Bauanleitung zur
Herstellung von Proteinen steckt. Für ihren Impfstoff haben die
CureVac-Forscher mRNA mit der Bauanleitung für ein Protein der Hülle
des Coronavirus versehen. Nach einer Impfung bilden die menschlichen
Zellen dieses Protein. Der Körper erkennt es als fremd und beginnt,
Antikörper sowie Abwehrstoffe dagegen zu bilden. «Die Immunantwort,
die wir auslösen wollen, ist sehr ähnlich der natürlichen
Immunantwort», erläuterte Fotin-Mleczek.

An der genehmigten Phase-1-Studie sollen insgesamt 168 gesunde
erwachsene Probanden teilnehmen, von denen 144 geimpft werden. In
dieser Phase wird vor allem die Sicherheit des Wirkstoffs geprüft und
ob er tatsächlich eine Abwehrreaktion im Körper auslöst. Bestenfalls

lägen im September erste Daten vor, sagte Franz-Werner Haas,
Vorstandsmitglied von CureVac, bei einer Videopressekonferenz von PEI
und CureVac. Testzentren befinden sich demnach in Tübingen, Hannover,
München und im belgischen Gent.

Parallel zur klinischen Erprobung stelle man bereits große Mengen des
Impfstoffs her. Die derzeitigen Produktionsanlagen ermöglichten eine
Produktion von «Hunderten Millionen Dosen im Jahr», wie Haas
erläuterte. Eine weitere Produktionsanlage, die die Kapazität auf
Milliarden Dosen erhöhen solle, befinde sich im Bau.

Am Montag hatte das Wirtschaftsministerium bekanntgegeben, sich mit
300 Millionen Euro an dem Unternehmen zu beteiligen und rund 23
Prozent der Anteile zu übernehmen. Man wolle es so auch gegen eine
mögliche Übernahme aus dem Ausland absichern. Auf
Geschäftsentscheidungen wolle der Staat keinen Einfluss nehmen.

Als erstes deutsches Unternehmen hatte im April das Mainzer
Unternehmen Biontech eine Genehmigung des PEI für eine klinische
Studie erhalten. Es handelt sich um eine sogenannte
Phase-I/II-Studie, in der Teilnehmer in Europa und den USA ebenfalls
einen mRNA-Impfstoff erhalten. Nach Angaben des Unternehmens von
Mitte Mai werden erste Ergebnisse Ende Juni oder im Juli erwartet.

Am weitesten fortgeschritten sei momentan ein an der britischen
Universität Oxford entwickelter Wirkstoff namens AZD1222, sagte der
Leiter des Instituts für Virologie der Universität Marburg, Stephan
Becker, kürzlich. «Die bisherigen Daten zeigen, dass AZD1222 eine
Immunantwort auslöst. Ob der Impfstoff tatsächlich vor Sars-CoV-2
schützt, kann man noch nicht genau sagen.»

Am vergangenen Samstag hatte das Bundesgesundheitsministerium
mitgeteilt, dass Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande
mit dem Hersteller von AZD1222, dem Pharmaunternehmen AstraZeneca,
einen Vertrag über mindestens 300 Millionen Impfdosen geschlossen
haben. Der Impfstoff beruht auf der abgeschwächten Version eines
Erkältungsvirus von Schimpansen und soll das Immunsystem auf Trab
bringen, damit es Sars-CoV-2 im Falle einer Infektion unschädlich
machen kann.

Unterdessen teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit, dass sie
Milliarden Euro in Vorverträge mit Pharmaherstellern investieren
will, um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs für alle Europäer
und für Partnerländer weltweit zu beschleunigen. Damit solle ein
wirksamer und sicherer Impfstoff binnen 12 bis 18 Monaten
bereitstehen, möglichst sogar schneller, erklärte die Brüsseler
Behörde bei der offiziellen Vorstellung ihrer Impfstoffstrategie.

Auch PEI-Präsident Klaus Cichutek betonte, dass es wichtig sei,
mehrere verträgliche und wirksame Impfstoffe mit unterschiedlichen
Eigenschaften zu entwickeln und die Herstellungskapazitäten rasch
auszubauen. Ein Impfstoff dürfe nicht nur einzelnen Staaten oder
Risikogruppen zur Verfügung stehen. Man arbeite gemeinsam mit der
Politik derzeit an entsprechenden Konzepten, sagte Cichutek.

Wann einer der in Entwicklung befindlichen Kandidaten zugelassen
werden könne, sei nicht sicher zu beantworten. «Ich denke, dass wir
Anfang kommenden Jahres möglicherweise über einen Antrag auf
Zulassung reden können», sagt Cichutek. Weltweit gebe es womöglich
schon Ende des Jahres eine Zulassung.

Als problematisch kann sich bei der Verteilung eines möglichen
Impfstoffs noch etwas anderes erweisen: Engpässe bei den für die
Fertigung und Abfüllung nötigen Materialien. Zudem seien die
Studienzentren stark frequentiert, erläutert Haas. «Für eine
klinische Studie der Phase II/III werden 15 000 bis 20 000 Teilnehmer
benötigt, vor Ort, wo das Virus aktiv ist.» Man sehe da Engpässe auf

sich zukommen.

Nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa)
laufen in Deutschland derzeit sechs weitere Impfstoffprojekte, in
denen eigene Kandidaten entwickelt werden. Zudem gebe es
Beteiligungen von Unternehmen und Universitäten an internationalen
Projekten.