Oberster Datenschützer: Stehen dem Gesundheitsschutz nicht im Weg

Steht der Datenschutz den Gesundheitsmaßnahmen im Kampf gegen des
Coronavirus im Weg? Nein, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte.
Stattdessen unterstütze vernünftiger Datenschutz die
Gesundheitsmaßnahmen - zumindest indirekt.

Berlin (dpa) - Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat davor gewarnt,
den Gesundheitsschutz gegen einen vernünftigen Datenschutz ins Feld
zu führen. «Keine geeignete und erforderliche Maßnahme zur
Pandemiebekämpfung wurde aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben
blockiert», sagte Ulrich Kelber (SPD) am Mittwoch in Berlin bei der
Vorstellung des aktuellen Tätigkeitsberichtes seiner Behörde.

Der Datenschutz trage dazu bei, dass die Akzeptanz gegenüber
Maßnahmen zum Gesundheitsschutz steige, sagte Kelber. Die Vorstellung
der Corona-Warn-App am Dienstag sei dafür der beste Beweis. «Es gibt
also keinen Grund dafür, zu versuchen, das Grundrecht zum Schutz der
Gesundheit und das Grundrecht des Schutzes der informationellen
Selbstbestimmung gegeneinander auszuspielen.»

Bei der Bewertung der Corona-Warn-App durch seine Behörde mit dem
Attribut «ausreichend» habe es sich nicht um eine Schulnote
gehandelt, betonte Kelber. In der datenschutzrechtlichen Bewertung
gebe es nur «ein ausreichend oder nicht ausreichend».

Kelber bekräftigte seine Kritik am Verfahren, wie ein
Infektionsstatus in der App offiziell bestätigt werde. Zum Start der
App würden offenbar nur zehn Prozent der Testergebnisse
datenschutzfreundlich digital übertragen. Der große Rest müsse über

eine Telefon-Hotline gehen. «Diese Hotline sehen wir als eine
Schwächung des ansonsten gut durchdachten Prinzips der
Pseudonymitätswahrung an», sagte Kelber. Das Verfahren könne auch ein

Einfallstor für falsche Daten sein, mit dem dann Fehlalarme ausgelöst
werden. «Deswegen drängen wir als Aufsichtsbehörde darauf, die
Notwendigkeit dieser Hotline so schnell es geht auf Null zu setzen.

Kelber bekräftigte seine Warnung an Arbeitgeber, ihren Beschäftigten
die Installation der App vorzuschreiben. «Ein Zwang, die App
vorzuzeigen, ist datenschutzrechtlich nicht haltbar. Sollten
Unternehmen dagegen verstoßen, würden die Datenschutzbeauftragten der
Länder aktiv, die dafür zuständig seien. «Von daher wiederhole ich

meinen Appell: «Versucht es lieber nicht!».»

Auch Restaurantbesitzer oder Geschäftsinhaber dürften nicht
verlangen, dass Kunden oder Gäste die App vorzeigen müssen. Die
Restaurantbesitzer könnten zwar entscheiden, wen sie bedienen wollen
und wen nicht. «Sie würden aber den Einblick in eine App verlangen,
die personenbezogene Gesundheitsdaten verarbeitet. Das wiederum steht
ihnen nicht zu.»

Bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichtes betonte Kelber, die
Aufsichtsmöglichkeiten seien durch die Datenschutzgrundverordnung
deutlich gestärkt worden. «Im Bereich der Unternehmen können wir
Geldbußen aussprechen, auch empfindliche Geldbußen. Wir haben von
dieser Möglichkeit im letzten Jahr erstmals Gebrauch gemacht.» Dabei
musste der Telefonanbieter 1&1 Telecom 9,5 Millionen Euro zahlen,
weil er nicht ausreichend verhindert hatte, dass Dritte über die
telefonische Kundenbetreuung Kundendaten erfragen konnten.

Kelber betonte, der Bundestag habe «wichtige und weitreichende
Schritte unternommen», um seiner Behörde zu ermöglichen, die
gewachsene Zahl von Aufgaben auch zu bewältigen. Insbesondere bei der
Aufsicht über die Sicherheitsbehörden habe es einen deutlichen
Stellenzuwachs in den Haushalten 2019 und 2020 gegeben. «Und ich
werde diese auch nutzen, um weiterhin eine aktive Rolle bei der
Aufsicht über die Sicherheitsbehörden einzuräumen. Das gilt
insbesondere auch für die Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst.»

Das Bundesverfassungsgericht habe aktuell entschieden, dass die
Struktur der Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst weitreichend
reformiert und ausgeweitet werden müsse.