Merkel und die Ministerpräsidenten beraten über Corona-Folgen

1,50 Meter Mindestabstand und Maskenpflicht beim Einkaufen, in Bussen
und Bahnen - das gilt noch überall in Deutschland. Ansonsten gehen
die Länder bei den Corona-Schutzmaßnahmen längst eigene Wege. Neuer
Streit deutet sich vor den nächsten Beratungen der
Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzlerin Merkel aber nicht an.

Berlin (dpa) - Die Ministerpräsidenten der Länder beraten an diesem
Mittwoch (15.00 Uhr) mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die
Umsetzung des von der großen Koalition beschlossenen
Konjunkturprogramms und über das weitere Vorgehen in der
Corona-Pandemie. Zum ersten Mal seit einem Vierteljahr treffen sich
die Länderchefs und Merkel persönlich im Kanzleramt. Seit Mitte März

hatte es nur Video- und Telefonkonferenzen gegeben.

BERATUNGEN ÜBER CORONA-FOLGEN 

Auch diesmal geht es wieder um Corona, aber die Beratungen drehen
sich nicht mehr so sehr um den Umgang mit der Pandemie sondern mehr
um die Bewältigung der Folgen. So werden die Ministerpräsidenten und
Merkel über die organisatorische und finanzielle Umsetzung des 130
Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramms sprechen, das Union und
SPD Anfang des Monats vereinbart hatten. Dabei geht es etwa um die
Frage, welchen Anteil Bund und Länder bei einzelnen Maßnahmen jeweils
übernehmen.

Die Kanzlerin hatte am Dienstag eindringlich vor möglichen
Rückschlägen gewarnt. Die deutsche Wirtschaft erleide in ihrer
gesamten Breite einen Riesen-Einbruch, sagte sie am Dienstag nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Teilnehmern in der
Unionsfraktion im Bundestag. Noch wisse niemand, wie sich
Konsumverhalten und Pandemie entwickelten. Es sei ein sehr
angespannte Zeit, auch wenn derzeit meist die Sonne scheine.

ES GEHT UM PRAKTISCHE FRAGEN

Einiges aus dem Konjunkturpaket wurde schon auf den Weg gebracht, wie
die von Juli bis Jahresende befristete Mehrwertsteuersenkung und der
Kinderbonus für Familien. Nun geht es auch um weitere praktische
Fragen: Beispielsweise soll die geplante steuerliche Entlastung für
Alleinerziehende unbürokratisch ohne Antragsstellung der Betroffenen
automatisch erfolgen, wie aus einem Beschlussentwurf des Bundes für
das Treffen hervorgeht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die geplante staatliche Notfallreserve für wichtige medizinische
Schutzausrüstungen und Medikamente, die angelegt werden soll, solle
für mindestens einen Monat reichen, heißt es in dem Papier auch. Und
Leih-Laptops und -Tablets für bedürftige Schüler, die der Bund mit
einem 500-Millionen-Euro-Programm finanziert, sollen an den Schulen
nach den Sommerferien einsetzbar sein. So sollen alle gerüstet sein
für den Fall, dass doch wieder Fernunterricht stattfinden muss.

Außerdem geht es bei dem Treffen am Mittwoch um eine zügige
Abwicklung der Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Betriebe,

die wegen der Pandemie besonders viel Umsatz verlieren, und um die
Gewerbesteuerausfälle in den Kommunen. Thema ist auch der
beschleunigte Ausbau der Mobilfunk-Netze.

MINISTERINNEN MACHEN DRUCK BEI GANZTAGSAUSBAU 

Zur Sprache kommen wird zudem der jüngste Vorstoß von
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zur Ganztagsbetreuung
an Grundschulen. «An sich finden wir die Idee von Ganztagsbetreuung
hervorragend, aber der Betrag, den der Bund bislang zur Verfügung
gestellt hat, ist nicht annähernd in der Lage, diese Herausforderung
zu schultern», sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) v
or
dem Treffen.

Giffey und Karliczek hatten Druck gemacht, dass die Runde am Mittwoch
die Rahmenbedingungen für den Ausbau, die Finanzierung und den
geplanten Rechtsanspruch auf Ganztag vereinbart, um die entsprechende
Gesetzgebung voranzubringen. Ab 2025 sollen nach dem Willen von Union
und SPD alle Kinder in Deutschland von der ersten bis zur vierten
Klasse einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Das hatten sie im
Koalitionsvertrag vereinbart. Der Ausbau an den rund 15 000
Grundschulen wird Schätzungen zufolge fünf bis sieben Milliarden Euro
kosten. Bisher war geplant, dass der Bund den Ländern dafür zwei
Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Die Mittel sollen nun
aufgestockt werden.

STREIT ÜBER MASKEN UND ABSTAND? 

Söder zeigte sich vor dem Treffen zuversichtlich, dass es keine
Streitkonferenz werde. Er warnte aber erneut vor Unübersichtlichkeit:
Bei allen unterschiedlichen Akzenten im Umgang mit der
Corona-Pandemie dürfe nicht ein «extremer Flickenteppich» entstehen.

Die Bundesländer lockern seit mehreren Wochen nach und nach ihre
Corona-Schutzmaßnahmen. Am Abstandsgebot und der Maskenpflicht wird
bisher festgehalten.

Aber auch da gibt es zumindest Gedankenspiele, etwas zu ändern. In
Sachsen wird über ein Ende der Maskenpflicht beim Einkaufen
nachgedacht. Die Entscheidung hänge auch von einer Einigung im Bund
ab, sagte die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am
Dienstag. Und zumindest an den Schulen könnte nach den Sommerferien
die Abstandsregel fallen. Dafür hatte sich die Präsidentin der
Kultusministerkonferenz und rheinland-pfälzische Bildungsministerin
Stefanie Hubig (SPD) ausgesprochen.

ERSTES ECHTES TREFFEN NACH DREI MONATEN  

Am 12. März hatten sich Merkel und die Länderchefs zum letzten Mal
persönlich im Kanzleramt getroffen. In den Tagen danach wurde das
öffentliche Leben in Deutschland schrittweise
heruntergefahren: Schulen und Kitas wurden geschlossen, Restaurants,
Bars und andere Einrichtungen ebenso. Dann kamen die
Kontaktbeschränkungen. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten
hatten seitdem in mehreren Videoschalten über das weitere Vorgehen in
der Corona-Pandemie beraten. Zunehmend waren dabei Differenzen über
das Lockerungstempo von Schutzmaßnahmen zutage getreten. Seit Anfang
Mai gehen die Bundesländer dabei verstärkt eigene Wege.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) macht sich
aber nun für ein gemeinsames Vorgehen stark. «Die Bewältigung der
Corona-Pandemie ist eine gesamtstaatliche Herausforderung und bleibt
es», sagte Laschet der «Rheinischen Post». «Nicht zuletzt angesicht
s
der bevorstehenden Reisesaison brauchen wir einen gemeinsamen Rahmen
von Bund und Ländern mit dem richtigen Instrumentenkasten aus
Schutzmaßnahmen, Hygienekonzepten und Kontaktnachverfolgung.»