1,5 Milliarden Euro neue Schulden - Hamburgs Bürgerschaft stimmt zu Von Markus Klemm, dpa

Wegen der Corona-Krise will der Senat 1,5 Milliarden Euro neue
Schulden machen. Zustimmung kommt von der Bürgerschaft. Bürgermeister
Tschentscher bittet die Hamburger bei den Kontaktverboten und
Auflagen um Geduld.

Hamburg (dpa/lno) - Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD)
hat die Bürger wegen der Kontaktverbote und sonstigen Einschränkungen
zur Eindämmung der Corona-Pandemie um Geduld gebeten. «Wir brauchen
Geduld, denn wir dürfen den Erfolg unserer Strategie nicht aufs Spiel
setzen», sagte er am Mittwoch in einer Regierungserklärung in der
Hamburgischen Bürgerschaft. In einer Telefonkonferenz hatten die
Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
vereinbart, dass die Beschränkungen des öffentlichen Lebens bis nach
Ostern bestehen bleiben sollen.

Das Landesparlament machte den Weg frei für 1,5 Milliarden Euro neue
Schulden zur Bewältigung der Corona-Krise. Dazu stimmten die
Abgeordneten einer vorübergehenden Aufhebung der Schuldenbremse wegen
einer «außergewöhnlichen Notsituation» zu. Konkret stellte die
Bürgerschaft fest, dass die Pandemie eine Naturkatastrophe und die
Beeinträchtigung der Wirtschaftsabläufe aufgrund der Krise eine
außergewöhnliche Notsituation darstellt, die sich der Kontrolle der
Freien und Hansestadt Hamburg entzieht und deren Finanzlage erheblich
beeinträchtigt. Einen Tilgungsplan für die Neuverschuldung 2020/2021
gibt es bereits. Danach sollen die Rückzahlungen beginnend 2025 über
einen Zeitraum von 20 Jahren laufen - in Jahresraten von mindestens
75 Millionen Euro.

Unterdessen stieg die Zahl der an Covid-19 erkrankten Hamburger seit
Dienstag um 147 auf 2437. Das sind fast doppelt so viele
Neuerkrankungen wie am Vortag mit 76 Fällen, entspricht aber in etwa
dem Verlauf der vergangenen Tage. Insgesamt befinden sich nun nach
Angaben der Gesundheitsbehörde 180 Covid-19-Kranke in einem
Krankenhaus. Auf einer Intensivstation liegen 45. Am Vortag waren 174
Covid-10-Kranke in einer Klinik, 40 auf einer Intensivstation. Die
Behörde bestätigte unter Hinweis auf die Rechtsmedizin, dass zwei
weitere Menschen im Zusammenhang mit der Lungenerkrankung gestorben
seien. Damit gibt es in Hamburg bislang acht Todesopfer.

Der Mangel an Schutzausrüstung ist weiter ein Problem. «Da gibt es
überhaupt nichts zu beschönigen», sagte Gesundheitssenatorin Cornelia

Prüfer-Storcks (SPD) in der Bürgerschaft. Der Bund versuche über eine

zentrale Beschaffung zu helfen. «Aber ich muss leider sagen, von dem,
was wir bestellt haben für das Gesundheitswesen hier in Hamburg, da
ist vielleicht inzwischen ein Prozent angekommen. Deshalb hangeln wir
uns von Tag zu Tag.»

Ärzte der Asklepios-Kliniken warnten Patienten unterdessen davor,
dringende Behandlungen lebensbedrohlicher Erkrankungen aus Furcht vor
einer Corona-Infektion zu verschieben. «Wer aus Angst vor einer
Infektion eine dringend notwendige stationäre Behandlung vermeidet
oder auch nur verzögert, bringt sich in große Gefahr», sagte
Herzspezialist Stephan Willems, Chefarzt der Kardiologie in der
Asklepios-Klinik St. Georg. Die Asklepios-Ärzte betonen, in den
Kliniken würden aufwendige Schutzmaßnahmen zur Infektionsvermeidung
vorgenommen.

Experten der Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie am
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sehen in der Krise
zumindest für die Psyche der Menschen keine größere Gefahr. «Das is
t
eine Umstellung, Unbequemlichkeit für viele, aber keine
Extremsituation», sagte der Direktor der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Jürgen Gallinat. Sein Kollege
und Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Prof.
Michael Schulte-Markwort, betonte, die große Mehrheit der Kinder und
Familien bewältigten die Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote
gut. Beide Experten rieten den Menschen, ihren vor der Krise
gewohnten Tagesablauf beizubehalten und den Tag zu strukturieren.

FINANZHILFE: Hamburg hat nach Angaben des Senats mit der Auszahlung
der Soforthilfen für Selbstständige und kleine Unternehmen begonnen.
Das Portal, auf dem die Berechtigten die Hilfen beantragen können,
war am Montag kurz vor Mitternacht online gegangen. Bundes- und
Landeshilfen werden in einem gemeinsamen Antrag gebündelt und mit
einem Klick des Sachbearbeiters sowohl genehmigt als auch ausgezahlt.
Bis zum Mittwochmittag hatten sich bereits 40 900 Antragsteller für
das Verfahren registriert. 25 500 Anträge seien im System, wovon 18
800 fertig übermittelt wurden. Die Behörden rechnen insgesamt mit
mindestens 100 000 Anträgen.

HVV: Wer in Hamburg kaum noch Bus oder Bahn fährt, muss sein
Ticketabonnement nicht unbedingt kündigen. Wie der Hamburger
Verkehrsverbund (HVV) mitteilte, können Kunden stattdessen ihr Abo
mit sofortiger Wirkung ruhen lassen. Dafür reiche eine kurze Mail
oder ein Anruf. Die Aktion ende automatisch zum 1. Juli 2020. Durch
die Folgen der Pandemie seien die Fahrgastzahlen des HVV um 70
Prozent zurückgegangen. Busse und Bahnen führen aber nahezu
unverändert weiter.

HAFTANSTALTEN: Maximal 60 Gefangene in den Hamburger Haftanstalten
können auf eine bis zu drei Monate befristete Unterbrechung ihrer
Strafe hoffen. Infolgedessen könnten Isolierstationen sowie eine
Quarantänestation in der Untersuchungshaftanstalt eingerichtet
werden, um eine Ausbreitung des Virus in den Haftanstalten zu
verhindern, teilte die Justizbehörde mit. Derzeit gäbe es in Hamburg
etwa 1800 Gefangene. Wer wegen eines Gewalt-, Waffen- oder
Sexualdeliktes oder wegen Delikten aus dem Bereich der Organisierten
Kriminalität oder gemeingefährlicher Straftaten einsitzt, komme nicht
in Frage.

OBDACHLOSE: Die Öffnung des St.-Pauli-Bads wird von den obdachlosen
Menschen in Hamburg gut angenommen: «Wir haben viel zu tun. Viele
Menschen sagen, dass sie in den letzten 14 Tagen nicht geduscht haben
und kommen mit einem Strahlen wieder heraus», sagte Dominik Bloh von
der Organisation GoBanyo. Das wegen der Pandemie geschlossene Bad war
in einer gemeinsamen Kooperation der Hamburger Sozialbehörde mit
GoBanyo und Bäderland Hamburg wieder geöffnet worden, um obdachlosen
Menschen die Möglichkeit zur Körperpflege zu geben.

HOCHSCHULEN - Hamburg setzt bei einer möglichen weiteren Verschiebung
des Semesterstarts an den Hochschulen wegen der Pandemie auf eine
bundesweit einheitliche Lösung. «Die Wissenschaftsbehörde stimmt sich

zu diesem Thema derzeit mit den staatlichen Hochschulen sowie Bund
und Ländern ab», sagte eine Behördensprecherin der Deutschen
Presse-Agentur. Eine bundeseinheitliche Vorgehensweise sei dringend
erforderlich, «allein schon wegen der damit verbundenen Frage der
Zulassung für die Folgesemester». Derzeit gelte, «dass der
Vorlesungsbetrieb an den Hochschulen in Hamburg zunächst auf den 20.
April 2020 verschoben wurde». Zuvor hatte sich der Präsident der
Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, für eine Verschiebung
des Sommersemesters stark gemacht.

Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) feierte derweil
ihren 50. Geburtstag ohne Gäste. «Es gibt derzeit ohne jeden Zweifel
Wichtigeres als den Geburtstag unserer Hochschule», sagte
HAW-Präsident Professor Micha Teuscher. Glückwünsche gab es aber
dennoch, etwa von Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne):
«Die Feierlichkeiten sind nur verschoben, nicht aufgehoben!» Am 1.
April 1970 waren 13 Ingenieursschulen und Fachschulen zur
Fachhochschule Hamburg zusammengeschlossen, aus der sich die HAW
Hamburg entwickelte. Aktuell zählt die Hochschule 17 000 Studierende.