Alte Idee, neuer Name: Corona-Bonds als Hilfe für klamme Staaten? Von Friederike Marx und Jörn Bender, dpa

Italien ruft in der Corona-Krise um Hilfe. In einer ganzseitigen
Anzeige werben Politiker des Landes in Deutschland um Zustimmung zu
gemeinschaftlichen Anleihen: Corona-Bonds. Der Vorschlag ist jedoch
hoch umstritten.

Frankfurt/Main (dpa) - Europa steuert wegen der Corona-Krise auf eine
schwere Rezession zu. Milliardenschwere Hilfsmaßnahmen werden die
Staatsverschuldung nach oben treiben. Das trifft vor allem hoch
verschuldete Länder wie Italien hart. Könnten gemeinschaftliche
Anleihen - sogenannte Corona-Bonds - helfen? Unter anderen Italien,
Spanien und Frankreich fordern sie vehement, während sich zum
Beispiel Deutschland, die Niederlande und Österreich bislang sperren.

Was sind Corona-Bonds?

Bonds sind Wertpapiere mit einem festen Zinssatz. Die europäischen
Staaten könnten zusammen solche Anleihen an den Markt bringen:
Corona-Bonds. Die Regierungen würden auf diesem Weg gemeinsam Geld an
Finanzmärkten aufnehmen, sich also verschulden - und dann
gemeinschaftlich für Zinsen und Rückzahlung haften.

Ist die Idee neu?

Schon in der Euro-Schuldenkrise, die von 2010 an vor allem
Griechenland hart traf, hatte die Idee gemeinsamer Staatsanleihen
Anhänger. Damals war von Eurobonds die Rede. Eingeführt wurden diese
jedoch nicht, weil es schon damals große Widerstände gab:
Wirtschaftlich starke Länder fürchteten, über Jahre für die Schulde
n
bereits hoch verschuldeter Staaten wie Italien mithaften zu müssen.

Was sollen solche gemeinsamen Anleihen eigentlich bringen?

Hoch verschuldete Staaten könnten auf diesem Weg zu erheblich
günstigeren Konditionen frisches Geld von Investoren erhalten. Denn
die Bonität der Gemeinschaftsanleihen wäre deutlich besser, wenn zum
Beispiel wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland mithaften. Weil
solche Papiere somit als sicherer gelten, müssten die Staaten für
Corona-Bonds nicht so hohe Zinsen bieten wie sie das zum Teil derzeit
für ihre eigenen nationalen Anleihen tun müssen. Die Schuldenlast
würde sinken. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding meint zudem,
Corona-Bonds wären ein «Signal der Solidarität» - gerade an Lände
r,
die sich nach der Euro-Schuldenkrise mühsam zurückgekämpft haben.

Was sagen Befürworter?

«Die Lösung liegt in Krisen-Gemeinschaftsanleihen, die nur in dieser
Situation legitimiert sind. Hier sollte man sich in Berlin nicht
sperren, wenn man die Eurozone nicht durch diese Krise in eine
existenzielle Gefährdung bringen will», sagt der Direktor des
arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.
Ähnlich argumentiert Berenberg-Ökonom Schmieding: «Mehr als je zuvor

müssen sich die Mitglieder des Euroraumes in einer derartigen Krise
Geld zu erträglichen Bedingungen leihen können.» Das sei vor allem
für Länder wie Italien, Spanien und Griechenland ein Thema. Um die
Zinsen am Kapitalmarkt für diese Länder zu drücken, sind Corona-Bonds

aus seiner Sicht effizienter als die milliardenschweren Anleihenkäufe
der Europäischen Zentralbank (EZB). EZB-Vizepräsident Luis de Guindos
befürwortet Corona-Bonds ebenfalls.

Was sagen Kritiker?

Sie treibt die Sorge um, dass Deutschland damit praktisch für die
Schulden anderer Länder mit haftet und daraus ein Dauerinstrument
wird. «Deutschland würde in voller Höhe für den Umfang jeder so
begebenen Anleihe anderer Mitgliedstaaten haften, ohne auch nur ein
kleines Wörtchen bei der Finanzpolitik des jeweiligen Landes mitreden
zu können», argumentiert der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld.
Er fürchtet zudem, dass es nicht bei einer Ausnahme in der aktuellen
Krise bleiben wird: «Zu meinen, man könne solche Bonds nur
vorübergehend einführen, ist blauäugig. Sind sie einmal da, bleiben
sie», sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung jüngst der
«Börsen-Zeitung». EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält di
e
Bedenken einiger Länder für berechtigt. Hinter dem Begriff
Corona-Bonds stehe doch eher die größere Frage der Haftung: «Und da
sind die Vorbehalte in Deutschland, aber auch in anderen Ländern
berechtigt.»

Was könnten Alternativen sein?

Genannt wird immer wieder der Euro-Rettungsschirm ESM, unter den
Länder wie Griechenland in der Euro-Schuldenkrise schlüpften.
Allerdings sind Hilfen des ESM an strenge Kriterien gebunden und
werden von den betroffenen Ländern als Stigmatisierung empfunden.
Mehr als ein Dutzend europäischer Ökonomen schlägt nun eine
Kreditlinie des ESM für alle EU-Mitgliedsstaaten vor. Damit würden
sich die Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität
aller EU-Länder effektiv verringern lassen, sagte der Präsident des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel
Fratzscher: «Das schafft Solidarität und begrenzt den
wirtschaftlichen Schaden für alle EU-Mitgliedsländer.»

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) brachten zusätzlich zum ESM auch die
Investitionsbank EIB ins Spiel. «Meine Zielsetzung ist, dass wir dort
ein Programm möglich machen, das bis zu 50 Milliarden Euro
Kreditvolumen umfasst», sagte Scholz am Dienstag.

Wie geht es weiter?

Weil sich bei dem Thema die Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union (EU) bisher nicht einigen konnten, sollen die
Finanzminister der 19 Euroländer - die sogenannte Eurogruppe - nun
Vorschläge erarbeiten. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Mario Centeno,
hat diese für den 7. April angekündigt. Centeno plädiert auch für
neue Instrumente: «Wir sollten prüfen, wie wir bestehende Instrumente
nutzen können, aber wir sollten auch offen dafür sein, Alternativen
zu erwägen, wenn sich erstere als unzureichend erweisen.»