Corona-Krise macht den Reifenwechsel schwierig

Von Oktober bis Ostern sollen die Winterreifen eigentlich am Auto
bleiben. Dieses Jahr dürfte es deutlich länger werden.

Bonn/Weiden/München (dpa) - Der für Millionen Autofahrer anstehende
Wechsel von Winter- auf Sommerreifen wird dieses Jahr zur
Herausforderung. «Die Kunden müssen sich auf längere Wartezeiten
einstellen», sagte Yorik M. Lowin, der Geschäftsführer des
Reifenfachhandelsverbands BRV in Bonn. Die Einschränkungen wegen der
Corona-Pandemie bremsten den Wechsel.

Zudem sei es in manchen Bundesländern, die wie Bayern stärkere
Ausgangsbeschränkungen hätten, derzeit gar nicht erlaubt, wegen eines
Reifenwechsels in die Autowerkstatt zu fahren. Auch das
Gesundheitsministerium des Freistaats bestätigt: «Reifenwechsel
stellen keine triftigen Gründe zum Verlassen der Wohnung dar.»

«Selbst wenn die Unternehmen offen haben, können sie nicht mit 100
Prozent plus x arbeiten», sagte Lowin. Normalerweise sind die
Wechselzeiten im Frühjahr und Herbst ausgesprochen hektische Zeiten
beim Reifenhandel, in denen teilweise am Anschlag gearbeitet wird.
Das ist laut Lowin jetzt nicht möglich - schon alleine, weil die
Mitarbeiter auch in der Werkstatt Abstand halten müssten und man auch
nicht so viele Kunden wie sonst gleichzeitig im Betrieb haben könne.
Dass - wie sonst manchmal zu Stoßzeiten - 20 Menschen gleichzeitig
warteten, sei derzeit nicht möglich.

Auch Wilhelm Hülsdonk, Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks, sagte:
«Die Saison wird wegen der aktuellen Einschränkungen und unserer
Bemühungen, die Kontakte mit den Kunden zu reduzieren, länger
dauern.» Bisher kämen auch noch nicht so viele Kunden in die
Werkstätten. «Aber ob ich diese Umsätze im April oder Juni mache, ist

nicht so wichtig.» Da gebe es zur Zeit größere Probleme. «Insgesamt

ist die aktuelle Situation für unsere Betriebe sehr belastend.»

Zusätzlich bremsend wirkt sich aus, dass manche Werkstätten derzeit
gar nicht geöffnet haben. ATU aus Weiden zum Beispiel, mit 574
Filialen die größte unabhängige Werkstattkette Deutschlands, hat seit

Mitte März den Großteil ihrer Betriebe vorübergehend geschlossen.
Aktuell gebe es zehn Standorte, die eine Notfallversorgung böten,
sagte ein Sprecher. Man arbeite daran, weitere zu öffnen.

ATU erwartet aber, dass sich die Reifenwechselsaison dieses Jahr
ohnehin nach hinten verschiebt. «Wir gehen aktuell davon aus, dass
ATU rechtzeitig zur diesjährigen Frühjahrsumbereifung wieder
flächendeckend den Betrieb aufnehmen kann», so der Sprecher.
«Spezielle Maßnahmen für die Zeit nach den Covid-19 bedingten
Betriebsunterbrechungen sind derzeit in Vorbereitung.»

Andere Ketten - wie beispielsweise Euromaster - haben dagegen
geöffnet. Momentan beobachte man noch keinen riesigen Ansturm - auch
wenn viele Menschen die alte Regel, die Winterreifen von Oktober bis
Ostern zu fahren, durchaus ernst nähmen, sagte eine Sprecherin.

Auf die Verkehrssicherheit hat die verzögerte Wechselsaison wohl
keine dramatischen Auswirkungen - auch wenn Winterreifen bei hohen
Temperaturen wegen ihrer auf Kälte eingestellten Gummimischung
längere Bremswege haben. «Wenn Reifen schon stark heruntergefahren
sind oder eine längere Reise ansteht, sollte man den Wechsel
möglichst bald machen lassen», sagte Hülsdonk vom Kfz-Handwerk. «Ab
er
wenn das Auto im Moment ohnehin vor allem vor der Türe steht, kann
man ruhig noch ein oder zwei Monate warten.»

Auch der ADAC sieht noch keinen Grund zur Hektik. Je deutlicher die
Temperaturen in den zweistelligen Bereich kommen, desto kritischer
wird es, sagte ein Sprecher des Autofahrerclubs. «Aber davon sind wir
im Moment noch weit entfernt.» Zudem seien die Menschen derzeit vor
allem morgens und abends unterwegs, wenn es kühler sei, sagte der
Sprecher und rät: Man könne ja jetzt einfach schon einen Termin für
das Monatsende vereinbaren.

Dass in der Krise deutlich mehr Menschen als sonst selbst zu
Wagenheber und Drehmomentschlüssel greifen, um die Reifen zu
wechseln, erwartet Lowin nicht. Angesichts von Techniken wie
Reifendruckkontrollsystemen könne das nicht jeder. Zudem würden die
Reifen auf den Autos immer größer und damit schwerer, selbst zu
wechseln.