Erste Baustellen stehen still - Material und Bauarbeiter fehlen

Die deutsche Wirtschaft schwächelte bereits vor der Corona-Krise,
doch eine Stütze der Konjunktur war die Baubranche. Bis vor kurzem
gingen die meisten Fachleute auch davon aus, dass das so bleiben
würde. Doch die Zuversicht schwindet.

München (dpa/lby) - Die Corona-Krise schlägt mittlerweile auf die
Bauwirtschaft durch. Noch laufen die meisten Baustellen, aber
mancherorts steht der Betrieb wegen fehlenden Nachschubs an
Baumaterial oder fehlender osteuropäischer Subunternehmer still, wie
in der Branche berichtet wird. «Diese beiden Entwicklungen werden
sich in den nächsten Wochen verstärken», sagt Hans Maier voraus,
der Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW). Der
Verband vertritt die Interessen von Wohnungsgenossenschaften und
kommunalen Wohnungsunternehmen.

«Es gibt erste Lieferkettenprobleme, und es gibt Personalprobleme,
insbesondere mit Subunternehmern aus Osteuropa», sagt auch Andreas
Demharter, Hauptgeschäftsführer beim Landesverband bayerischer
Bauinnungen. Beispiele: Manche Unternehmen bezogen Baustahl bislang
aus Italien, doch dort steht die Industrie still. Über
Lieferschwierigkeiten wird auch bei chinesischem Stahl berichtet. Und
tschechische Subunternehmer können mit ihren Bautrupps nicht mehr
nach Deutschland einreisen, weil die Regierung in Prag die Grenzen
geschlossen hat. «Das Hauptproblem ist derzeit der Personalmangel»,
betont Josef Wallner vom Bayerischen Bauindustrieverband.

Der jahrelange Bauboom war bislang eine wichtige Stütze der
Konjunktur in Deutschland. Metall- und Elektroindustrie waren schon
vor der Corona-Pandemie in einer Rezession gefangen. Sollte die
Bauindustrie nun auch in die Krise stürzen, würde das den
wirtschaftlichen Einbruch in Deutschland verschärfen.

Die Auftragsbücher der meisten Unternehmen sind nach wie vor gefüllt.
«Es läuft noch ganz gut», urteilt ein Sprecher des Bayerischen
Handwerkstags in München. Doch ist offen, wie sich die Auftragslage
in diesem Jahr entwickeln wird. Auch im Handwerk geht die Angst um,
dass sich das schnell ändern könnte.

Wenn große Bauunternehmen weniger Aufträge bekommen, schlägt das
sofort aufs Handwerk durch. Und auf der anderen Seite sind auch
kleinere Aufträge von Eigenheimbesitzern für Sanitärinstallateure,
Elektrobetriebe oder Heizungsbauer wichtig. Wenn um ihre Gesundheit
besorgte Bürger Aufträge stornieren, weil sie keine Fremden mehr in
ihre Wohnung lassen wollen, ist das schlecht für das Handwerk.

Die Wohnungsunternehmen wiederum beschäftigen drohende Mietausfälle
und die Sorge um die eigene Liquidität, wie VdW-Direktor Maier sagt.
Zahlen zu Mietausfällen gibt es noch nicht. «Bei den
Wohnungsunternehmen melden sich aber schon viele Mieter, die
Zahlungsschwierigkeiten bekommen werden und ihre Miete nicht mehr
bezahlen können.» 

Der Bundesverband der Wohnungswirtschaft GDW fordert daher gemeinsam
mit dem Mieterbund Hilfe für die Unternehmen in Form eines
«Sicher-Wohnen-Fonds». «Wir brauchen beides: Den Schutz der Mieter
und Sicherheit für die Wohnungsunternehmen», sagt VdW-Direktor 
Maier.

Ganz abgesehen von den ökonomischen Aspekten treibt auch die Sorge um
die Gesundheit die Baubranche um - im gesellschaftlichen ebenso wie
im eigenen Interesse, denn Corona-Fälle in der Belegschaft würden die
Unternehmen weitgehend lahmlegen. Auf einer Baustelle lässt es sich
aber kaum vermeiden, dass Arbeiter oder Bauingenieure einander
zumindest zeitweise näher kommen als die empfohlenen 1,5 Meter
Sicherheitsabstand. Die Baufirmen haben reagiert, wie die Bauinnungen
betonen - in Form zusätzlicher Baucontainer für Pausenräume,
Waschgelegenheiten und dergleichen. «Die Unternehmen sind sich ihrer
Verantwortung sehr bewusst», sagt Hauptgeschäftsführer Demharter
dazu.