Präsidentenwahl in Polen: PiS will Stimmabgabe per Brief ermöglichen

Warschau (dpa) - Knapp sechs Wochen vor der Präsidentenwahl in Polen
will die nationalkonservative Regierungspartei PiS das Wahlrecht
ändern und wegen der Corona-Epidemie allen Stimmberechtigten eine
Briefwahl ermöglichen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf brachte die
PiS-Fraktion am Dienstag laut Nachrichtenagentur PAP ins Parlament
ein. Anders als in Deutschland gibt es in Polen bislang keine
allgemeine Option einer Briefwahl.

Die PiS reagiert mit dem Vorstoß auf wachsende Kritik an ihrem
Vorhaben, die Präsidentenwahl wie geplant am 10. Mai stattfinden zu
lassen. Fast alle oppositionellen Präsidentschaftskandidaten sowie
die Bürgermeister der größten polnischen Städte hatten sich für e
ine
Verschiebung des Urnengangs ausgesprochen. Umfassende Schutzmaßnahmen
zur Eindämmung des Coronavirus haben das das öffentliche Leben in
Polen seit dem 13. März weitgehend zum Stillstand gebracht.

Trotzdem beharren die Nationalkonservativen auf dem Wahltermin. Der
von der PiS gestellte Amtsinhaber Andrzej Duda führt derzeit in allen
Umfragen vor seinen Mitbewerbern. Bei einer Verschiebung der Wahl auf
einen späteren Zeitpunkt könnten bereits negative wirtschaftliche
Folgen der Coronakrise für Polen spürbar sein - mit entsprechenden
Auswirkungen auf das Wahlergebnis. In einem Facebook-Chat konterte
Duda am Montag die Frage nach einer Verlegung so: «Wenn es möglich
ist, normal zum Einkaufen in den Laden zu gehen, dann ist es auch
möglich, ins Wahllokal zu gehen.»

Am Dienstag verabschiedete das Parlament mit der absoluten Mehrheit
der PiS ein Gesetzespaket, das Wirtschaftshilfen und bürokratische
Erleichterungen für Unternehmen in der Coronakrise vorsieht. Duda
setzte noch am Abend seine Unterschrift darunter. Die PiS hatte das
Paket bereits um eine Änderung des Wahlrechts ergänzt. Demnach
sollten nur Wahlberechtigte in Quarantäne und Bürger ab 60 Jahren
über den neuen Präsidenten per Briefwahl abstimmen dürfen. Da
besonders ältere Menschen zur PiS-Wählerschaft zählen, war dieses
Vorhaben von der Opposition scharf kritisiert worden.