Pflege, Schulen, Arbeitsmarkt - Corona lässt nichts unberührt

Betriebe melden Kurzarbeit an, Pflegeheime schlagen Alarm und
Niedersachsens Lehrer basteln vorzeitig an Zeugnisnoten. Fast alles
hängt derzeit mit der Corona-Krise zusammen.

Hannover (dpa/lni) - Die Ausbreitung des Coronavirus, bei der am
Dienstag 322 Neuinfektionen in Niedersachsen gemeldet wurden, wirkt
sich auf viele Lebensbereiche im Bundesland aus. Ein Überblick über
Entwicklungen am Dienstag:

BRENNPUNKT WOLFSBURG: Das Klinikum Wolfsburg nimmt wieder Patienten
auf, nachdem es wegen Infektionen in der Belegschaft in einem
bundesweit einmaligen Schritt einen Aufnahmestopp verhängt hatte.
«Ich darf sagen, dass wir das Klinikum seit 12 Uhr heute Mittag
wieder in Betrieb genommen habe», sagte Oberbürgermeister Klaus Mohrs
(SPD). 90 Prozent der Testergebnisse lägen bereits vor. Demnach sind
32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus
getestet worden. Davon ist rund ein Drittel im ärztlichen Dienst. Im
besonders betroffenen Wolfsburger Hanns-Lilje-Heim starben bisher 18
Demenzkranke nach einer Coronavirus-Infektion.

SCHULEN: Niedersachsens Lehrer sollen für den Fall noch längerer
Schulschließungen schon bis Mitte April die Zeugnisnoten vorbereiten.
Im Umgang mit Schülern, deren Versetzung gefährdet ist, plädierte der

Lehrerverband dabei für Nachsicht. Auch der Schülerrat zeigte
Verständnis für die Vorbereitungen vorgezogener Noten. Das
Kultusministerium hatte angeordnet, dass die allgemeinbildenden
Schulen vorläufige Zeugnisnoten festlegen sollen, um gewappnet zu
sein, falls die Schulen noch länger als bisher geplant geschlossen
bleiben müssen. Die Noten sollen den Leistungsstand bis zum 15. April
auf Basis der bisherigen Leistungen wiedergeben.

PFLEGE: Alten- und Pflegeheime brauchen aus Sicht der Betreiber mehr
Schutzausrüstung und umfangreiche Tests. «Wir sind in allergrößter

Sorge», sagte die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der
Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen, Birgit Eckhardt. Die
fehlende Schutzkleidung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei
ein großes Problem. Zudem werde in den Einrichtungen zu wenig und zu
spät getestet. «Erst dann, wenn jemand Symptome hat, geht die Kette
mit den Testungen los», sagte sie.

MASKENPFLICHT: Niedersachsens Krisenstab lehnt eine generelle
Maskenpflicht für die Öffentlichkeit derzeit ab. «Wer jetzt
propagiert, jeder möge draußen mit einer qualifizierten Maske
rumlaufen, der gefährdet die Gesundheitsversorgung in diesem Land»,
sagte der Leiter des Krisenstab der Landesregierung, Heiger Scholz.
«Die hochwertigen Masken dafür zu verballern, das ist, glaube ich,
unverantwortlich.» Die Stadt Jena hatte zuvor eine Maskenpflicht
binnen einer Woche angekündigt. In Verkaufsstellen, dem öffentlichen
Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr werde das Tragen eines
Mund-und-Nasenschutzes verpflichtend.

KURZARBEIT: Wegen der wirtschaftlichen Einbrüche haben schon
Zehntausende Unternehmen im Nordwesten Kurzarbeit angezeigt. Die
Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit sprach von rund 47 000
Betrieben, die den Schritt bis zum vergangenen Freitag gemacht hätten
- 41 400 in Niedersachsen und 5600 in Bremen. Behördenchefin Bärbel
Höltzen-Schoh erklärte die «historisch hohe Zahl» damit, dass so gu
t
wie alle Branchen betroffen seien: «Wir sind in einem Ausnahmemodus,
in dem wir von 100 auf 0 heruntergecrasht sind.»

FINANZEN: Niedersachsen will seine Soforthilfe für Unternehmen um
rund 200 Millionen Euro aufstocken. Das kündigte Wirtschaftsminister
Bernd Althusmann (CDU) an. Das Geld solle die Liquidität kleiner
Betriebe mit 11 bis 49 Beschäftigten sichern. «Diese Pandemie wird
tiefe Spuren im Mittelstandsland Niedersachsen hinterlassen», sagte
Althusmann. Wohl auch im Landeshaushalt: Die Steuereinnahmen werden
in diesem Jahr voraussichtlich um zwei Milliarden Euro niedriger
ausfallen. Diese Erleichterungen für Betriebe wertete Finanzminister
Reinhold Hilbers (CDU) als zusätzliche Unterstützung zum
Corona-Hilfspaket von 4,4 Milliarden Euro.

VW: Volkswagen verlängert die Schließung der Werke seiner Kernmarke
in Deutschland um weitere zehn Tage. Statt wie zuletzt geplant bis
zum 9. April soll die Fertigung nun bis zum 19. April ausgesetzt
bleiben, hieß es aus dem Unternehmen. Volkswagen hat Kurzarbeit für
Zehntausende Beschäftigte angezeigt. Konzernchef Herbert Diess will
das Geschäftsjahr trotz der Krise noch nicht völlig abschreiben. Ob
VW seine Gewinnziele für 2020 erreiche, sei erst dann wirklich
abzuschätzen, wenn die Dauer des «Shutdowns» abzusehen sei.

STREIT: Die derzeitige Krise geht auch an die Nerven. In einem
Verbrauchermarkt in Celle gerieten zwei 31 und 44 Jahre alte Kunden
aneinander, weil sie sich gegenseitig vorwarfen, nicht genug Abstand
gehalten zu haben, wie die Polizei mitteilte. Der Streit gipfelte in
Beleidigungen - und schließlich Strafanträgen. Ebenfalls in Celle
bahnte sich ein Unbekannter seinen Weg durch ein Lebensmittelgeschäft
- ohne den vorgeschriebenen Einkaufswagen. Als die Kassiererin ihn
darauf hinwies, beleidigte er erst die 28-Jährige und dann den 34
Jahre alten Marktleiter. Dieser zeigte den Mann an.