US-Corona-Krise verschärft sich - Ruf nach «drakonischen» Maßnahm en

In den USA sind bereits doppelt so viele Coronavirus-Infektionen
nachgewiesen wie in China. Schutzmaßnahmen werden ausgeweitet - davon
sind auch Reisende aus Europa betroffen. Prognosen sagen düstere
Szenarien voraus.

Washington (dpa) - Mit ausgeweiteten Schutzmaßnahmen wollen die USA
in der sich verschärfenden Corona-Krise das Schlimmste verhindern.
Die Versuche der Regierung in Washington, die Ausbreitung des Virus
einzudämmen, werden auch Konsequenzen für Reisende aus Europa haben.
Der zunächst auf einen Monat begrenzte Einreisestopp soll nach
Angaben von US-Präsident Donald Trump verlängert werden. Diese und
ähnliche Beschränkungen würden in Kraft bleiben und möglicherweis
e
sogar verschärft werden, sagte Trump am Montagabend (Ortszeit) bei
einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. Er ließ
offen, bis wann der Einreisestopp, der eigentlich Mitte April
auslaufen sollte, andauern soll.

Die USA sind gemessen an der Zahl der bestätigten Infektionen
inzwischen weltweit am schwersten von der Coronavirus-Pandemie
betroffen. Nachgewiesen sind bereits mehr als doppelt so viele
Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 als in China, wo die
Lungenerkrankung Covid-19 ihren Ausgang nahm: Am Dienstag
verzeichnete die Johns-Hopkins-Universität in Baltimore rund 175 000
Fälle - allein im Bundesstaat New York gibt es 75 000. In China liegt
die Zahl bei mehr als 82 270.

Trump hatte am Sonntag bekanntgegeben, dass die restriktiven
Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie in den USA
bis Ende April verlängert werden sollen. Seit Mitte März können
Menschen aus dem Schengenraum, Großbritannien und Irland nicht mehr
in die USA reisen. Ausgenommen davon sind US-Amerikaner, bestimmte
Diplomaten und Europäer, die eine langfristige Arbeitsgenehmigung in
den USA haben, eine sogenannte Green Card. Auch deren Angehörige sind
ausgenommen. Die Regelung sollte zunächst für 30 Tage gelten. 

Richtlinien der Regierung in Washington fordern die Bevölkerung in
der Krise unter anderem auf, Abstand zu anderen zu halten und
Ansammlungen von mehr als zehn Personen zu vermeiden. Viele
Bundesstaaten haben bereits striktere Ausgangsbeschränkungen verhängt
- den Anfang hatte Florida gemacht, zuletzt zogen Virginia, Maryland
und die Hauptstadt Washington nach. Einer Berechnung der «New York
Times» zufolge sollen nun mindestens 261 Millionen Menschen in 31
Staaten weitgehend Zuhause bleiben. Das Heimatschutzministerium rief
die Bürger auf, über die jeweils geltenden Richtlinien vor Ort auf
dem Laufenden zu halten.

Der republikanische Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham sprach
sich am Dienstag bei Fox News für «drakonische» Maßnahmen im Kampf

gegen das Coronavirus aus. «Die Heilung muss in diesem Fall
drakonisch sein, weil die Krankheit so tödlich ist», sagte er.

Ein Modell, das auch die Ärztin Deborah Birx von der
Coronavirus-Arbeitsgruppe im Weißen Haus am Sonntag ansprach, sagt
trotz Schutzmaßnahmen ein düsteres Szenario für die kommenden Wochen

voraus: Berechnungen des Instituts IHME könnten Mitte April pro Tag
mehr als 2000 Menschen in den USA an den Folgen der Pandemie sterben.
Der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten,
Anthony Fauci, sagte bei CNN, es sehe so aus, dass die
Schutzmaßnahmen Wirkung zeigten, die Situation sei aber ernst. «Wir
werden es überwinden und es wird enden», sagte er.

Im Kampf gegen das Coronavirus haben die USA inzwischen nach Trumps
Angaben mehr als eine Million Menschen auf den Erreger getestet.
«Heute haben wir einen wichtigen Meilenstein im Krieg gegen das
Coronavirus erreicht», sagte Trump. «Wir haben bei weitem mehr Tests
ausgeführt als jedes andere Land auf der Welt.» Das stimmt in
absoluten Zahlen, aber nicht gemessen an der Bevölkerungszahl. So hat
beispielsweise Südkorea pro Kopf mehr Menschen getestet als die USA.

Auch wenn in den USA nun deutlich mehr getestet wird, herrscht immer
noch ein Mangel an Tests. In einem am Montag online veröffentlichten
Gastbeitrag für die «Washington Post» schrieben Marylands Gouverneur

Larry Hogan - der wie Trump den Republikanern angehört - und
Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer (Demokraten): «Es gibt
einfach nicht genug Tests, medizinisches Material und andere
lebensrettende Geräte, um das Ausmaß dieser Pandemie zu bewältigen.
»

In den USA sind bereits mehr als 3000 Menschen durch oder mit der
Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Das geht aus Daten der
Universität Johns Hopkins hervor. In Italien und Spanien sind schon
deutlich mehr Menschen ums Leben gekommen. Trump erwartet den
Höhepunkt der Todeszahlen in gut zwei Wochen.

Die Verbreitung der Coronavirus-Epidemie in den USA hat sich zuletzt
dramatisch beschleunigt. So hatte etwa die Zahl der bekannten
Infektionen erst am Freitag die Marke von 100 000 überschritten. Bis
zu dem Zeitpunkt waren rund 1500 Tote gemeldet gewesen. Die Webseite
der Forscher der Universität Johns Hopkins wird regelmäßig mit
eingehenden Daten aktualisiert und zeigt daher einen höheren Stand
bestätigter Infektionen als die offiziellen Zahlen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der US-Gesundheitsbehörde CDC.

Trump hatte die Amerikaner am Sonntag auf dramatische Opferzahlen in
der Coronavirus-Krise vorbereitet. Wenn es gelingen sollte, die
Todeszahl durch Eindämmungsmaßnahmen auf 100 000 zu begrenzen, «dann

haben wir alle zusammen einen guten Job gemacht», sagte Trump. Er
zeigte sich optimistisch, dass bis zum Sommer das Schlimmste
überstanden sein könnte.

Besonders besorgniserregend ist die Lage im US-Ostküstenstaat New
York mit der gleichnamigen Millionenmetropole. Weil die Kapazitäten
der Krankenhäuser dort nicht auf die Ansteckung weiter Teile der
Bevölkerung vorbereitet sind, werden provisorische Kliniken aufgebaut
und vorhandene Einrichtungen mit zusätzlichen Betten aufgestockt.
Auch ein Lazarettschiff der Marine ist am Montag in New York
ankommen.

New Yorks demokratischer Gouverneur Andrew Cuomo gestand am Dienstag
Versäumnisse im Kampf gegen das Virus ein: «Wir haben das Virus
unterschätzt. Es ist stärker und gefährlicher als wir erwartet
haben», sagte Cuomo bei seiner täglichen Pressekonferenz.

Ein weiterer Hotspot ist Kalifornien an der US-Westküste. Dort werden
mindestens 50 000 zusätzliche Krankenbetten benötigt, um die
Versorgung von Patienten während der Corona-Krise zu bewältigten, wie
Gouverneur Gavin Newsom am Montag sagte. Mit einer neuen Initiative
wolle er in den kommenden Wochen zusätzlich 37 000 Ärzte, Pfleger,
Krankenschwestern und Pharmazeuten mobilisieren, etwa Personal aus
dem Ruhestand holen oder Studenten einsetzen, sagte der Demokrat.