Corona-Krise wirft eine gewaltige Last auf den deutschen Arbeitsmarkt Von Michael Donhauser und Sascha Meyer, dpa

Die Kurzarbeit erreicht Rekordwerte in Rekordzeit, die Zahl der
Arbeitslosen springt in die Höhe: Der deutsche Arbeitsmarkt ächzt
unter der Last der Corona-Krise. Die gute Nachricht: Geld für die
Abfederung ist aus besseren Zeiten noch genug vorhanden.

Berlin/Nürnberg (dpa) - Die Corona-Krise schlägt mit Gewalt auf dem
deutschen Arbeitsmarkt ein: Die Zahl der Anzeigen für Kurzarbeit ist
auf ein nie da gewesenen Niveau empor geschnellt. Trotzdem geht die
Bundesagentur für Arbeit von einem Zuwachs von bis zu 200 000
Arbeitslosen im April aus. In den nur etwas mehr als zwei Wochen seit
Beginn des wirtschaftlichen Stillstandes hätten 470 000 Betriebe
Kurzarbeit angemeldet, teilten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
(SPD) und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Detlef Scheele,
am Dienstag in Berlin mit.

Dahinter versteckt sich ein Vielfaches an Menschen, die in Kurzarbeit
gehen werden, eine genaue Schätzung sei derzeit nicht möglich. Als
sicher aber gilt: Der bisherige Höchstwert von 1,44 Millionen
Kurzarbeitern von Mai 2009 in der internationalen Finanzkrise wird
deutlich übertroffen werden. Zum Vergleich: In einem normalen Monat
des Jahres 2019 gingen in Nürnberg etwa 1300 Anzeigen ein, im Februar
2020 unter konjunkturell etwas ungünstigeren Umständen waren es 1900.

Scheele und Heil machten deutlich, dass die Kurzarbeit als Mittel zur
Rettung von Arbeitsplätzen in jedem Fall finanziert werde - koste es
was es wolle. Es handele sich um einen Rechtsanspruch. Die
Bundesagentur verfüge über eine Rücklage von immensen 26 Milliarden
Euro. Selbst falls diese aufgebraucht würde, müsste für etwaige
Mehrkosten der Bundeshaushalt herhalten. «Das Geld ist kein
limitierender Faktor um den Rechtsanspruch auf Kurzarbeit zu
finanzieren», sagte Scheele. Heil betonte, es gebe derzeit auch keine
Anlass, über mögliche Beitragserhöhungen zu spekulieren.

Vor allem in der Tourismusbranche und in der Gastronomie, wo sich die
Kleinunternehmer derzeit mit innovativen Geschäftsmodellen über
Wasser zu halten versuchen, wird Kurzarbeit wohl nicht reichen. «Wir
gehen zur Zeit davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im April um 150
000 bis 200 000 Menschen gestiegen ist», sagte Scheele mit Blick auf
den Stichtag am 12. April für die nächste Arbeitsmarktstatistik. Noch
nie seit 1991 hatte es von März auf April überhaupt einen Anstieg
gegeben, saisonal bedingt fällt die Arbeitslosigkeit in dieser Zeit
normalerweise.

«Die Arbeitslosigkeit - das sagen uns alle Agenturen - steigt, und
sie steigt sehr stark im Bereich der Gastronomie und des Tourismus»,
sagte Scheele. In diesen Branchen sei die Eigenkapitaldecke oft nicht
groß genug, um Mitarbeiter lange zu halten. «Das sind im Moment
unsere Hauptsorgenkinder.»

Die von der Corona-Krise ausgelöste Problematik trifft auf einen
Arbeitsmarkt, der sich ohnehin nicht mehr so rosig präsentiert wie
noch vor einigen Monaten. In der Märzstatistik, in der die Krise noch
keinen Widerhall findet, ist die Zahl der Arbeitslosen zwar saisonal
bedingt im Vergleich zum Februar um 60 000 gesunken, im Vergleich zum
März des Vorjahres aber um 34 000 gestiegen. Das Angebot an offenen
Stellen ging schon im März um mehr als 100 000 zurück.

Heil betonte, dass trotz vieler Sorgen Anlass zu «realistischer
Zuversicht» bestehe. Deutschland habe «einen der stärksten
Sozialstaaten der Welt». Und das Ziel der Politik laute, auch mit
eilig beschlossenen Schutzschirmen: «Wir kämpfen um jeden
Arbeitsplatz, der in dieser Situation gefährdet ist.» Allerdings sei
realistischerweise nicht jeder einzelne Arbeitsplatz zu beschützen.

Konkret will der Staat Arbeitnehmern und Selbstständigen nun mit
mehreren Krisenmaßnahmen unter die Arme greifen: Wenn Unternehmen
Personal in Kurzarbeit schicken, übernimmt die Arbeitsagentur 60
Prozent des Lohns, bei Menschen mit Kindern 67 Prozent. Die
Unternehmen bekommen die Sozialbeiträge erstattet. Heil appellierte
an die Wirtschaft, Kurzarbeitergeld wo immer möglich aufzustocken.
Dies sei auch eine «Nagelprobe auf unsere Sozialpartnerschaft».

Daneben werden Hinzuverdienstmöglichkeiten erleichtert - zum
Beispiel, wenn Beschäftigte einer Wäscherei, die sonst für jetzt
geschlossene Hotels arbeitet, nun in der Wäscherei einer Klinik
mithelfen. Zudem ist der Zugang zur Grundsicherung vorerst leichter
möglich - Jobcenter verzichten bei einem Hartz-IV-Antrag ein halbes
Jahr auf Prüfungen von Vermögen und Wohnungsmiete. So müsse ein
Schausteller nicht um sein Karussell fürchten, erläuterte Heil.

Wenn nun auch Menschen Grundsicherung in Anspruch nehmen, die dies
nie gedacht hätten, sei klar: Dies dürfe «kein Stigma» haben, sagte

Heil - dies sei «ein soziales Bürgerrecht». Der Minister appellierte

an Unternehmen, nicht zuerst Azubis zu kündigen, die nach der Krise
gebraucht würden. Auch Nachjustierungen bei Instrumenten schloss er
nicht aus. Dies hänge davon ab, wie lange die Krise anhalten werde.