Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Hamburg dauern länger Von Markus Klemm, dpa

Hamburgs Bürger können sich wegen der Corona-Pandemie auf länger
dauernde Einschränkungen einstellen. Die Zahl der Neuinfizierten ist
zwar erstmals deutlich gesunken. Bürgermeister Tschentscher lässt
aber keinen Zweifel daran: Noch ist nicht die Zeit für Lockerungen.

Hamburg (dpa/lno) - Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens wegen
der Corona-Pandemie bleiben in Hamburg wohl bis nach Ostern bestehen.
Die bislang noch bis zum 5. April geltende Allgemeinverfügung werde
überarbeitet und verlängert, kündigte Bürgermeister Peter
Tschentscher (SPD) am Dienstag an. Bis auf weiteres müssten sich alle
darauf einstellen, «dass wir an den Einschränkungen und an den
beschlossenen Auflagen festhalten müssen». Unterdessen untersagte
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) bis vorerst 30.
April alle Besuche bei pflegebedürftige Menschen in der stationären
Altenpflege. Gleiches gilt für Behinderteneinrichtungen.

Hamburgs angehende Abiturienten haben derweil fünf Tage mehr Zeit für
ihre Prüfungsvorbereitungen. Statt am 16. April starteten sie nun
zeitgleich mit Schleswig-Holstein am 21. April, wie Schulsenator Ties
Rabe (SPD) sagte. Zudem werden mit Rücksicht auf die Lage drei Mal so
viele Nachschreibetermine angeboten bis in den Juni hinein. Um die
Lehrkräfte zu entlasten, sollen die Zweitkorrekturen der rund 27 000
Abiturklausuren nur im Ausnahmefall stattfinden. Diese und weitere
Erleichterungen gälten auch dann, wenn die Schulschließungen vor den
Abiturprüfungen aufgehoben werden sollten, sagte Rabe.

Die Zahl der an Covid-19 erkrankten Hamburger ist seit Montag um
lediglich 76 auf nun 2290 Fälle gestiegen. «Sie können sich sicher
sein, dass ich mich dreimal versichert habe», sagte
Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks mit Blick auf den im Vergleich zu
den Vortagen geringen Anstieg. Bislang lag dieser bei deutlich mehr
als 100 neuen Covid-19-Kranken pro Tag. Unter den Infizierten sind
den Angaben zufolge 174 in stationärer Behandlung, 40 befinden sich
auf einer Intensivstation. Die Senatorin sprach von einer relativ
stabilen Lage. Zwar sei die Zahl der in Kliniken behandelten
Neuinfizierten im Vergleich zum Vortag um 20 gestiegen, die Zahl der
Intensivpatienten sei jedoch gleich geblieben. Bislang sind in
Hamburg sechs Menschen an Covid-19 gestorben.

Das am Montag kurz vor Mitternacht angelaufene Hilfsprogramm von Bund
und Ländern für Selbstständige und kleinere Unternehmen wird bereits

stark frequentiert. Nach anfänglich technischen Problemen brumme es
jetzt, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Bis gegen 17.00 Uhr
habe es schon 32 000 Registrierungen und 18 000 Anträge auf der
Online-Plattform gegeben. Die nicht rückzahlbaren Soforthilfen für
Unternehmen und Selbstständige sind gestaffelt nach der Zahl der
rechnerischen Vollzeit-Beschäftigten. Die Höchstbeträge reichen, Bund

und Land zusammen, von 11 500 Euro für Solo-Selbstständige bis zu 30
000 Euro für Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern.

Nicht nur bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB
Hamburg), auch bei der Hamburger Arbeitsagentur haben sich bereits
zahlreiche Unternehmen gemeldet. So hätten im März schon mehr als 12
700 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. «Wir können noch nicht
einschätzen, wie viele Anzeigen tatsächlich in welchem zeitlichen
Umfang umgesetzt werden und wie viele Personen jeweils hinter einer
Meldung stehen», sagte Arbeitsagenturchef Sönke Fock. Er gehe davon
aus, dass im April eine weitere Zunahme der Betriebe zu verzeichnen
sein werde, die vorsorglich Kurzarbeit anzeigen und nutzen.

Mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise hofft
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) auf ein
Wiederanfahren des Wirtschaftslebens nach den Ostertagen. «Ja, nach
Ostern sollte Hamburgs Wirtschaft langsam wieder anlaufen», sagte er
dem «Hamburger Abendblatt» (Dienstag). «Wir müssen aktuell noch mit

Hochdruck daran arbeiten, dass wir die Ansteckungskurve nach unten
drücken. Bis Ostern sollten wir dann einen klaren Plan erstellen, wie
wir wieder ins Wirtschaftsleben zurückkehren können», erklärte er.

Hier denke er unter anderem an den Einzelhandel, gastronomische
Betriebe oder auch Friseure.

Nach Angaben von Gesundheitssenatorin Prüfer-Strocks sind von den
rund 450 000 Menschen über 60 Jahre mehr als 50 000 pflegebedürftig.
Sie gelte es zu schützen, weshalb die bisherige Beschränkung in
Pflegeeinrichtungen auf einen einstündigen Besuch pro Tag gestrichen
und durch eine generelles Betretungs- und Besuchsverbot ersetzt
worden sei. In Einzelfällen, etwa im Rahmen der Sterbebegleitung,
könnten Pflegeeinrichtungen Ausnahmen zulassen. Zudem soll das
Pflegepersonal in den 150 stationären Pflegeeinrichtungen mit ihren
rund 16 000 Bewohnern, aber auch in der ambulanten Tagespflege
Kontakte untereinander und zu den Patienten auf ein Minimum
reduzieren.

Insgesamt gebe es derzeit in Hamburgs Pflegeeinrichtungen 17 positiv
Covid-19 getestete Menschen. «Wir haben im Moment in Hamburger
Pflegeeinrichtungen 17 positiv getestete Menschen», sagte
Prüfer-Storcks. In einem Fall seien elf Bewohner einer Einrichtung
betroffen. Die übrigen sechs Fälle beträfen sechs unterschiedliche
Einrichtungen. Einen generellen Aufnahmestopp versuche sie unbedingt
zu vermeiden, «weil ja viele pflegebedürftige Menschen auch aus
Krankenhäusern wieder in Pflegeheime (...) verlegt werden müssen».
Gäbe es einen Aufnahmestopp, würde dies dringend benötigte
Kapazitäten in den Kliniken binden.

Zustimmung zu Prüfer-Storcks' Entscheidung kam vom Paritätischen
Wohlfahrtsverband Hamburg. «Besuchsverbote für Pflegebedürftige und
Menschen mit Behinderungen in stationären Einrichtungen sind für die
Betroffenen und die Angehörigen ein harter, aber notwendiger Schritt,
um gerade diese Risikogruppen besser vor dem Virus zu schützen»,
erklärte Verbandsgeschäftsführerin Kristin Alheit. Gleichzeitig
plädierte sie angesichts der Besuchsverbote für neue Konzepte, um
Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen auch weiterhin am
sozialen Leben teilhaben zu lassen.

Mit Blick auf die Ansteckungsgefahr während der Abiturprüfungen sagte
Schulsenator Rabe, die Behörde und die Schulen träfen zusätzliche
Sicherheitsvorkehrungen. So sollen die Arbeitsplätze der Schüler mit
zwei Metern Abstand aufgestellt werden und die Zahl der Prüflinge auf
höchstens zehn pro Klassenraum begrenzt werden. Alle Klassenräume und
WCs werden unmittelbar vor Beginn der Prüfung intensiv gereinigt.
Zudem sollen in den Prüfungsräumen Desinfektionsmittel für die Händ
e
griffbereit aufgestellt werden. Darüber hinaus sollen die Prüfungen
eines jeden Tages jeweils zeitlich um 15 Minuten versetzt gestaffelt
werden, um Ansammlungen zu vermeiden.

Eine Mundschutzpflicht im Supermarkt wie in der thüringischen Stadt
Jena geplant wird es in Hamburg vorerst nicht geben. Momentan gebe es
ein großes Problem, überhaupt ausreichend Schutzausrüstung zu
beschaffen, sagte Bürgermeister Tschentscher. Diese solle besser dort
verwendet werden, wo sie am dringendsten benötigt werde. Die
Hamburger Ärztekammer äußerte sich ähnlich. «Viel wichtiger als d
ie
Maske ist es, konsequent die Hygieneregeln zu beachten, Abstand von
seinen Mitmenschen zu halten und die Kontaktregeln einzuhalten»,
sagte Ärztekammer-Präsident Pedram Emami.