Hamburg steht vor einer gewaltigen Welle von Kurzarbeit Von Eckart Gienke, dpa

Die Corona-Krise erreicht den Arbeitsmarkt. Zehntausende Hamburger
werden demnächst zu reduzierten Einkommen in Kurzarbeit gehen,
weitere werden arbeitslos. Die genauen Dimensionen sind noch nicht
absehbar.

Hamburg (dpa/lno) - Mehr als 12 700 Unternehmen in Hamburg haben
wegen der Corona-Krise im März Kurzarbeit angemeldet. Das teilte die
Agentur für Arbeit am Dienstag in der Hansestadt mit. «Wir können
noch nicht einschätzen, wie viele Anzeigen tatsächlich in welchem
zeitlichen Umfang umgesetzt werden und wie viele Personen jeweils
hinter einer Meldung stehen», sagte Sönke Fock, der Chef der
Hamburger Arbeitsagentur. Er gehe davon aus, dass im April eine
weitere Zunahme der Betriebe zu verzeichnen sein werde, die
vorsorglich Kurzarbeit anzeigen und nutzen.

Um mit dem hohen Arbeitsaufwand fertig zu werden, hat die Agentur
ihre Berater in die Sachbearbeitung geholt. Statt zwei Teams seien es
nunmehr 16, die Anträge auf Kurzarbeit bearbeiten. Ein Team umfasst
jeweils 12 bis 20 Sachbearbeiter. Fock ist zuversichtlich, dass die
Agentur den Ansturm wird bewältigen können. Viele Anträge seien
schnell und einfach innerhalb von 15 bis 20 Minuten zu bearbeiten,
andere nicht so dringlich, weil die Beschäftigten noch Überstunden
abbauen. Das Kurzarbeitergeld setzt erst danach ein.

Der Gesetzgeber hat wegen der Corona-Krise den Zugang zur Kurzarbeit
erleichtert, um Entlassungen bei den Betrieben zu verhindern. Während
der Kurzarbeit erhalten die Beschäftigten 60 Prozent ihres
Nettogehalts, mit Kindern 67 Prozent. Nach Äußerungen verschiedener
Wirtschaftsverbände dürften über kurz oder lang mehr als die Hälfte

aller Betriebe Kurzarbeit anmelden, je nachdem, wie lange die
wirtschaftlichen Einschränkungen wegen des Coronavirus gelten.

Arbeitgeber und Gewerkschaften lobten die Bundesregierung für ihre
Initiativen, meldeten aber auch Nachbesserungsbedarf an. «Die
Kurzarbeit hat den Norden noch nicht so stark wie Süd-und
Westdeutschland erreicht», sagte Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführ
er
des Arbeitgeberverbandes Nordmetall. «Das Sozialschutzpaket der
Bundesregierung bietet Mitarbeitern und Unternehmen nun auch in
Krisenzeiten mehr Sicherheit.»

Gleichwohl seien weitere Hilfen nötig. So sollte das Kurzarbeitergeld
bis zu 24 Monate bewilligt und auch Auszubildenden gezahlt werden
können. Die Sozialkassen wiederum könnten die Firmen durch eine
spätere Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge oder durch deren
Stundung bis 2021 unterstützen. «Hier sind noch nicht alle
Möglichkeiten ausgeschöpft, unseren Unternehmen zu helfen und so
Existenzen und Arbeitsplätze zu erhalten.» 

Nach Angaben der IG Metall Küste sind unter den rund 200 000
Beschäftigten in den von ihr betreuten Betrieben in den fünf
Küstenländern bislang rund 70 000 auf dem Weg in die Kurzarbeit.
«Behörden und Arbeitsagenturen bewegen mehr, als man vielleicht
erwartet hätte», sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich der Deutschen
Presse-Agentur. Doch bereite ihm die finanzielle Situation der
Betroffenen Sorge.

Nur 25 000 bis 27 000 Kurzarbeiter erhielten von ihren Arbeitgebern
eine Aufstockung auf das Kurzarbeitergeld. Das seien vor allem
Beschäftigte von Großbetrieben. Viele kämen aber mit dem reduzierte
n
Einkommen nicht über die Runden. Die Arbeitnehmer sollten zumindest
die eingesparten Sozialbeiträge erhalten, forderte Friedrich. Damit
würde sich ihr Einkommen auf mehr als 80 Prozent erhöhen. 

Die Arbeitslosigkeit in Hamburg ist im März leicht zurückgegangen.
Die Daten spiegelten jedoch nicht die aktuelle Lage auf dem
Arbeitsmarkt wider, da sie vor dem Beginn der Corona-Krise erhoben
worden seien, teilte die Agentur für Arbeit mit. Stichtag war der 12.
März, als Gastronomie und Einzelhandel noch geöffnet waren. Zu diesem
Zeitpunkt waren 66 533 Hamburgerinnen und Hamburger arbeitslos
gemeldet, das waren 1177 weniger als im Monat zuvor. Im
Jahresvergleich stieg die Arbeitslosigkeit dagegen um 3056 Personen
oder 4,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote betrug 6,3 Prozent, das ist
ein Zehntelpunkt weniger als im Vormonat.

«Die Arbeitslosigkeit wird in den nächsten Monaten trotz großer
Bemühungen aller verantwortlichen Akteure in Politik, Wirtschaft und
Verwaltung ansteigen», sagte Agenturchef Fock. Wie stark dieser
Anstieg werde und wie lange er anhalte, sei derzeit nicht abzusehen.