Scholz und Söder gegen Corona-Bonds - Italienische Politiker werben

Sollen die EU-Staaten in der Krise gemeinsam Schulden aufnehmen? Die
Frage entfacht einen alten Grundsatzstreit. Deutschland bleibt hart -
doch der Druck wächst.

Brüssel/München (dpa) - Deutschland stemmt sich gegen den wachsenden
Druck zur gemeinsamen Schuldenaufnahme in Europa. Corona-Bonds seien
der falsche Weg, erklärten Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und
CSU-Chef Markus Söder am Dienstag gemeinsam in München. Hilfen an die
in der Krise besonders betroffenen Länder seien richtig, sollten aber
aus dem Eurorettungsschirm ESM oder über die Europäische
Investitionsbank EIB kommen, betonten sie.

Der Streit über Corona-Bonds - also gemeinsame europäische Anleihen -
entzweit die EU-Staaten. Italien, Spanien, Frankreich und andere
fordern sie vehement, unter anderen Deutschland ist dagegen. Da sich
die Staats- und Regierungschefs vorige Woche nicht einigen konnten,
soll nun die Eurogruppe neue Vorschläge erarbeiten. Der Vorsitzende
Mario Centeno hat dies für den 7. April angekündigt.

EU-Ratspräsident Charles Michel mahnte eine Einigung an. «Nur eine
gemeinsame Strategie im Geist der Solidarität bringt uns voran»,
erklärte er am Dienstagabend nach einer Videoschalte mit Centeno,
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der Präsidentin der
Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. «Um die europäische
Wirtschaft neu zu starten, werde wir alle vorhandenen Hebel nutzen
müssen, auf nationaler und europäischer Ebene.» Er fügte hinzu: «
Alle
Optionen, die mit dem EU-Vertrag vereinbar sind, sollten geprüft
werden.»

Eurogruppenchef Centeno erwähnte in einem Brief an die
EU-Finanzminister die Corona-Bonds zwar nicht direkt, ließ aber seine
Haltung durchblicken: Die EU-Staaten sollten vorhandene Instrumente
prüfen, aber auch offen für neue sein, heißt es in dem Schreiben.
Verschiedene Vorschläge sollten in Kombination betrachtet werden.

Dagegen wollen sich Scholz und Söder auf die vorhandenen Instrumente
ESM und EIB beschränken. Auch der Vorsitzende der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, sagte Focus-Online: «Wir
haben ein Instrument für solche Notlagen, und das ist der
Rettungsschirm ESM.»

Der ESM (European Stability Mechanism) war 2012 auf dem Höhepunkt der
Schuldenkrise etabliert worden, um taumelnden Euro-Staaten wie
Griechenland mit günstigen Krediten zu helfen. Das Kapital des ESM
wurde anteilig von den einzelnen Euromitgliedern bereitgestellt, sie
haften nur für ihren Kapitalbeitrag. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme
von EU-Mitgliedern gibt es bislang nicht. Sie könnte auch auf hohe
rechtliche Hürden stoßen, zumal die Finanzierung einzelner
EU-Mitglieder durch andere nach den EU-Verträgen nicht gestattet ist.

Scholz und Söder bekannten sich zu europäischer Solidarität, um die
hohen Kosten für die Gesundheitsversorgung und zur Stabilisierung der
Wirtschaft in der Pandemie zu tragen. Corona-Bonds seien aber der
falsche Weg. Scholz verwies auf das Volumen des ESM von insgesamt 500
Milliarden Euro zur Kreditvergabe - davon sind nach Angaben des ESM
derzeit 410 Milliarden verfügbar. Scholz sagte, in den Rettungsfonds
sei sehr viel Eigenkapital eingezahlt worden, insgesamt 80 Milliarden
Euro. Damit könne sehr stabil und auch mit einem erstklassigen Rating
geholfen werden.

Mit Hilfe der Investitionsbank EIB könnten zudem auf europäischer
Ebene die gleichen Investitionsmechanismen greifen wie in
Deutschland. «Meine Zielsetzung ist, dass wir dort ein Programm
möglich machen, das bis zu 50 Milliarden Euro Kreditvolumen umfasst»,
sagte Scholz. Söder pflichtete bei: «Also Bonds nein, ESM ja, und
Investitionsbank. Ich glaube, das ist der faire Weg, Europa zu helfen
und gleichzeitig auch die Stabilität des Euro auf Dauer zu halten.»

Trotz der teils sehr aufgeheizten Stimmung zwischen beiden Lagern
sieht auch EU-Wirtschaftskommissar Polo Gentiloni Kompromisschancen
in der Eurogruppe kommende Woche. «Auf dem Tisch liegt nicht nur die
Möglichkeit, den ESM zu nutzen oder die Möglichkeit, Bonds
herauszugeben», sagte Gentiloni dem Sender Euronews. «Es gibt auch
noch den EU-Haushalt, es gibt die Möglichkeit, die Europäische
Investitionsbank zu stärken. Ich glaube, die Finanzminister werden
einen Werkzeugkasten auf dem Tisch haben, um einen Konsens für die
Maßnahmen zu finden, die sofort nötig sind.»

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte bekräftigte in der ARD
seine Forderung nach Corona-Bonds. Das bedeute nicht, dass die «auch
nur einen Euro für die italienischen Schulden bezahlen müssen». Es
bedeute lediglich «die Schaffung einer gemeinsamen Reaktion, so dass
vorteilhaftere Marktbedingungen.

In einer ganzseitigen Zeitungsanzeige in der «Frankfurter Allgemeinen
Zeitung» wandten sich italienische Abgeordnete und Bürgermeister aus
verschiedenen Parteien direkt an die Deutschen und warben um
Zustimmung für Corona-Bonds. Sie erinnerten an das Londoner
Schuldenabkommen von 1953, als 21 Länder Deutschlands Schulden
halbiert und den Rest gestundet hätten. Italien sei noch heute
überzeugt von der Richtigkeit dieser Entscheidung. Deutschland habe
damals die Staatspleite vermeiden können und Solidarität erfahren.