Wegen Corona-Krise Riesenandrang auf Kurzarbeit

Antragsflut bei der Kurzarbeit: Fast 18 000 Betriebe stellten im
Norden schon entsprechende Anträge. Mit dem Instrument können
schnelle Entlassungen vermieden werden. Die Betriebe halten damit an
Fachkräften fest, die sie im Aufschwung wieder brauchen.

Kiel (dpa/lno) - Im Zuge der Corona-Krise haben in Schleswig-Holstein
in kürzester Zeit 17 800 Betriebe Kurzarbeit angezeigt. Dies teilte
die Agentur für Arbeit am Dienstag mit. Im vergangenen Jahr habe es
wöchentlich 7 solcher Anzeigen gegeben, sagte die Chefin der
Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, Margit
Haupt-Koopmann, der Deutschen Presse-Agentur. Im Land gibt es laut
Wirtschaftsministerium 123 000 Unternehmen. Wie viel Kurzarbeit
tatsächlich geleistet wird, ist noch ungewiss. In ganz Deutschland
haben 470 000 Unternehmen Kurzarbeit angezeigt.

Im Norden wurden laut Arbeitsagentur noch nicht alle Anzeigen
erfasst. Auch Doppelungen seien möglich. Die Agentur habe das für
Kurzarbeit zuständige Team von 37 Mitarbeitern auf 100 hochgefahren
und werde es noch auf 240 aufstocken, sagte Margit Haupt-Koopmann.
«Die Betriebe versuchen alles, ihre Mitarbeiter zu halten», sagte
Haupt-Koopmann im Hinblick auf die Kurzarbeit-Anträge. Ihre
Mitarbeiter leisteten enorm viel und gehörten zu den aktuellen
«Alltagshelden». «Ich sehe uns als Anker in stürmischer See», sag
te
sie. Der Arbeitsmarkt werde in den nächsten Monaten unter starke
Spannungen geraten.

Kurzarbeit soll verhindern, dass Arbeitnehmern sofort die Entlassung
droht, wenn ihr Betrieb wirtschaftlich in Schwierigkeiten gerät.
Hierbei wird die Arbeitszeit vorübergehend verkürzt. Dadurch entgeht
den Angestellten Lohn, der ihnen von der Arbeitsagentur teilweise
ersetzt wird. Die Arbeitnehmer erhalten von ihr bis zu 60 Prozent des
entgangenen Nettolohns, wenn sie Kinder haben, bis zu 67 Prozent.


In welchem Umfang jetzt tatsächlich Kurzarbeit geleistet wird, kann
laut Arbeitsagentur erst Ende Mai/Anfang Juni in Hochrechnungen
dargestellt werden. Der Grund: Kurzarbeit wird im Nachhinein
abgerechnet. Die Betriebe haben dafür drei Monate Zeit. Die Anzeigen
kommen vorwiegend von Betrieben aus dem Gastgewerbe, dem Einzelhandel
(ohne Lebensmittel) und der Gesundheitsbranche. In der Wirtschafts-
und Finanzkrise 2008/2009 war vor allem die Industrie betroffen.

Die Kurzarbeit sei ein richtig gutes Instrument, sagte
Haupt-Koopmann. Beschäftigte würden nicht arbeitslos, und die
Betriebe könnten damit ihre Fachkräfte behalten, die sie bräuchten,
wenn die Wirtschaft hoffentlich bald wieder schnell hochfahre. «Ich
sehe ein ganz hohes Verantwortungsbewusstsein der Betriebe.» Mit der
Kurzarbeit sei Deutschland schon ganz anders durch die Finanzkrise
vor gut zehn Jahren gekommen als andere Länder. Damals bezogen im
Norden maximal 1700 Betriebe Kurzarbeitergeld.

Die Informationen zur Kurzarbeit stellten den üblichen Monatsbericht
zum Arbeitsmarkt in den Schatten. Demnach hatte die Arbeitslosigkeit
in Schleswig-Holstein bis in den März hinein abgenommen. Da die Daten
zum Stichtag 12. März erhoben wurden, sind Folgen der Corona-Krise in
diesem Bericht noch nicht berücksichtigt. Die Schutzmaßnahmen wie die
Schließung von Restaurants und Geschäften traten erst später in
Kraft. Den Angaben zufolge wurden zum genannten Stichtag gut 81 800
Arbeitslose ermittelt. Das waren 3,7 Prozent weniger als im Februar
und 0,4 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote
betrug 5,2 Prozent, nach 5,3 Prozent vor einem Jahr.

Die Folgen der Krise für den Arbeitsmarkt könnten frühestens im
nächsten Monatsbericht dokumentiert werden, sagte Haupt-Koopmann.

Die Personalnachfrage bewegte sich im Vorjahresvergleich zuletzt auf
einem niedrigeren Niveau. Laut Arbeitsagentur wurden seit
Jahresbeginn 16 800 zu besetzende sozialversicherungspflichtige
Stellen gemeldet - ein Minus von 6,9 Prozent. Die Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg nach den aktuellsten
Daten vom Januar um 1,8 Prozent auf 1 004 800. Besonders im
Gesundheits- und Sozialwesen, bei Dienstleistungen, in der Logistik
sowie im Bau- und Gastgewerbe gab es mehr Jobs.

«Unsere Soforthilfemaßnahmen für die schleswig-holsteinische
Wirtschaft werden sehr gut angenommen», sagte Wirtschafts- und
Arbeitsminister Bernd Buchholz (FDP) angesichts der Corona-Krise.
«Dennoch wird sich ein Rückgang der Wirtschaftsleistung und ein
Anstieg der Arbeitslosenzahlen nicht verhindern lassen.» Er sei
optimistisch, dass Schleswig-Holstein die Krise gut meistern wird.

Auch Haupt-Koopmann rechnet mit mehr Arbeitslosen schon im April,
wenn normalerweise eine kräftige Frühjahrsbelebung ansteht. Diesmal
fehlten aber Neu- und Wiedereinstellungen in Hotels, Gaststätten und
bei Außenberufen.