Kretschmann: Gesundheitssystem wird an Belastungsgrenze kommen

Das öffentliche Leben in Baden-Württemberg läuft wegen des
Coronavirus nur noch auf Sparflamme. Die Regierung sieht keinen
Anlass, jetzt über Lockerungen zu reden - im Gegenteil.

Stuttgart (dpa/lsw) - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
sieht wegen des Coronavirus eine Belastungsprobe auf die
Krankenhäuser zukommen und hat deshalb eindringlich vor einer
schnellen Lockerung der strengen Ausgangsbeschränkungen gewarnt. «Die
Experten sagen uns, dass wir in den kommenden Wochen eine Welle an
Erkrankten in unseren Krankenhäusern erleben werden», sagte der
Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. «Unser Gesundheitssystem
wird in nächster Zeit an seine Belastungsgrenze kommen.» Man tue
alles, damit die Belastungsgrenze nicht überschritten werde.

«Ob wir damit Erfolg haben, hängt davon ab, ob wir den Anstieg der
Infektionen gebremst bekommen.» Einige Indizien wiesen darauf hin,
dass die Maßnahmen wirkten. Das sei aber mit großer Vorsicht zu
betrachten. Der Zeitraum, in dem sich die Zahl der Infizierten
verdoppele, sei größer geworden - von knapp drei auf jetzt fünf Tage.

«Das ist eine gute Nachricht, aber für eine Gesamtbewertung noch zu
früh. Deswegen verbieten sich meiner Ansicht nach Spekulationen über
eine Lockerung der Regeln zur Kontaktvermeidung zum gegenwärtigen
Zeitpunkt», mahnte der Ministerpräsident. Im Gegenteil: Entscheidend
sei, dass sich alle an die Regeln hielten.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) berichtete von einer Reihe von
Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen. Von Freitag bis Sonntag seien
rund 3000 Ordnungswidrigkeiten und Straftaten in Baden-Württemberg
angezeigt worden. Darunter seien 2000 Verstöße gewesen, bei denen
sich mehr als zwei Menschen im öffentlichen Raum getroffen hätten. Er
habe Sorge, dass mit dem besseren Wetter und während der
Osterfeiertage noch mehr Menschen nach draußen strömen könnten.
«Bitte halten Sie sich an die Regeln», mahnte auch Strobl. Die
Polizei werde auch in den nächsten Tagen Verstöße sanktionieren.

Kretschmann stellte fest: «Wir sind immer noch am Beginn der Krise.
Die Lage ist unverändert ernst. Die größte Herausforderung liegt noch

vor uns.» Sozialminister Manne Lucha (Grüne) erklärte, dass es in

Baden-Württemberg stand Dienstagmorgen 12 881 Infizierte gebe. Eine
große Rolle spiele dabei, dass sich viele Baden-Württemberger über
Fasching in den Skiferien im Süden befunden hätten. «Die jungen
Skifahrer haben es mitgebracht, haben jetzt die Eltern infiziert, und
es geht weiter auf die Großeltern.» 182 Menschen zwischen 41 Jahren
und 94 Jahren seien mittlerweile infolge der Erkrankung gestorben.

Nach Luchas Worten gibt es in Baden-Württemberg 54 000 stationäre
Krankenhausbetten und 2200 Beatmungsplätze. Man sei derzeit dabei,
die Zahl der Beatmungsplätze auf 2800 hochzuschrauben. Zudem greife
man auf 25 000 Plätze in Reha-Einrichtungen zurück. Wer ernsthaft
nach einer Infektion mit dem Coronavirus erkranke, müsse damit
rechnen, bis zu vier Wochen beatmet zu werden. Kretschmann sagte,
bislang reichten die Krankenhauskapazitäten noch aus.

Wiederholt hatten Ärzte und Kliniken darüber geklagt, dass sie zu
wenig Schutzausrüstung hätten. Lucha beteuerte, man habe in den
vergangenen Tagen zunehmend Material beschaffen können - größere
Mengen kämen bald. Dafür nehme man «einen Haufen Geld» in die Hand.

Auf dem Markt gehe es allerdings ein bisschen so zu wie im Wilden
Westen - man gehe in hohe finanzielle Vorleistungen. Strobl setzt
auch auf die Hilfe der Bundeswehr - bei der Beschaffung von Material,
aber auch etwa in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge.
Vereinzelt unterstützten Soldaten auch in Krankenhäusern.

Anstehende Kommunalwahlen können nach Strobls Worten verschoben
werden, wenn die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen nicht
gewährleistet ist. Ob die Voraussetzungen gegeben seien, entschieden
die Landratsämter und die Regierungspräsidien. «Dem Infektionsschutz

ist in jedem Fall Vorrang zu gewähren», sagte Strobl. Finde eine Wahl
statt, müssten die Vorgaben zum Infektionsschutz eingehalten werden.
Zudem sei eine Regelung geplant, wonach Sitzungen der Gemeinderäte
und der Kreistage per Video oder Telefon abgehalten werden könnten.