«Völlig undenkbar» - Tennis-Klassiker in Wimbledon vor dem Aus Von Kristina Puck und Lars Reinefeld, dpa

Auch die Tennis-Welt steht still. Die French Open sind bereits
abgesagt und eigenmächtig in den Herbst verschoben. Olympia ist
aufgrund der Coronavirus-Pandemie schon ins kommende Jahr verlegt.
Gibt es denn zumindest Rasen-Tennis in Wimbledon?

London (dpa) - Auch Wimbledon bildet in diesen Coronavirus-Zeiten
keine Ausnahme. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg steht das
prestigeträchtigste Tennis-Turnier der Welt aufgrund der Pandemie vor
der kompletten Absage. Zwar bleiben noch fast drei Monate bis zum
Auftakt des Rasenklassikers, doch das historische Aus könnte schon an
diesem Mittwoch offiziell werden. Dann soll nach übereinstimmenden
Medienberichten bei einer Krisensitzung der Turnier-Organisatoren die
Entscheidung über die diesjährige Auflage fallen.

«Da muss man kein Hellseher sein, dass es keine Alternative gibt»,
bekräftigte der Vizepräsident des Deutschen Tennis Bunds, Dirk
Hordorff, am Dienstag im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
«Es ist völlig undenkbar. Man braucht keine Insiderinformationen
dafür, dass in einer Welt, in der Olympia einen Monat später abgesagt
wird, ein solches Turnier nicht stattfinden kann.»

Dass wie in all den anderen Jahren auch vom 29. Juni bis 12. Juli
Gedrängel auf den Wimbledon-Tribünen oder auf den Wegen zwischen den
Plätzen herrscht, wirkt momentan wie eine Vorstellung aus einer
anderen Welt. Hunderttausende Zuschauer strömen normalerweise in den
zwei Wochen auf die altehrwürdige Anlage im Londoner Südwesten.

Spieler, Betreuer oder auch Schiedsrichter reisen aus aller Welt an.
Ende April sollten bereits die Aufbauarbeiten beginnen. «Das
Wichtigste, das in Betracht gezogen werden muss, ist die Gesundheit»,
sagte der Geschäftsführer des All England Lawn Tennis Clubs, Richard
Lewis, als er eine Entscheidung für diese Woche ankündigte: «Wir sind

entschlossen, verantwortungsbewusst zu handeln.»

Finanziell haben die Organisatoren laut Hordorff vorgesorgt.
«Wimbledon war wohl - als einziges Grand-Slam-Turnier - schon vor
vielen Jahren voraussehend genug, sich auch vor einer weltweiten
Pandemie zu versichern, so dass der finanzielle Schaden dort
minimiert sein dürfte», sagte der Funktionär im TV-Sender Sky.

Eine Verschiebung wie bei den French Open, die nun vom 20. September
bis 4. Oktober ausgetragen werden sollen, ist in Wimbledon aufgrund
des Belags noch deutlich komplizierter. Der Rasen etwa wird bei
Feuchte und bei niedrigeren Temperaturen schnell rutschig. Und wann
die vorerst bis zum 7. Juni unterbrochene globale Tennis-Tour mit dem
hohen Reiseaufkommen überhaupt wieder starten kann, weiß derzeit
niemand. Hordorff wäre schon froh, wenn es im Oktober weiterginge.

Auch der geplante deutsche Tennis-Sommer steht damit vor der Absage.
Das Sandplatz-Turnier in Hamburg (13. bis 19. Juli) rechnet sich zwar
noch eine «60-prozentige Chance» aus, wie Veranstalter Peter-Michael
Reichel dem «Hamburger Abendblatt» sagte. Wird Wimbledon aber
tatsächlich abgesagt, wird das wohl auch das Aus der vier geplanten
Rasenturniere in Deutschland nach sich ziehen. Stuttgart soll vom 8.
Juni an eigentlich den Anfang machen, die Organisatoren von Berlin
und Bad Homburg bereiten sich seit Monaten auf ihre Rasen-Premieren
auf der WTA-Tour vor. Im längst etablierten Turnier im westfälischen
Halle ist der Schweizer Roger Federer stets der Publikumsliebling.

Doch auch für den Schweizer Topstar scheint eine Rückkehr zur
Normalität derzeit in weiter Ferne, auch wenn er den Tennisschläger
nicht ganz aus der Hand legen mag. Im Schnee vertrieb sich der
38-Jährige an einer Ballwand mit einigen Schlägen durch die Beine
oder hinter dem Rücken die Zeit - eine optimale Tennis-Vorbereitung
für seinen neunten Wimbledon-Triumph würde anders aussehen.