Jena prescht vor: Bald Maskenpflicht im Kampf gegen Corona-Pandemie Von Andreas Hummel und Bodo Schackow, dpa

Nach dem Vorbild Österreichs sollen in Jena Geschäfte bald nur noch
mit Schutzmasken betreten werden dürfen. Auch andernorts wird ein
solcher Schritt erwogen. Doch die Meinungen zu dessen Nutzen sind
gespalten.

Jena (dpa/th) - Als wohl erste deutsche Großstadt verpflichtet Jena
seine Bürger, in Supermärkten, Bussen und Bahnen gegen die
Corona-Pandemie Schutzmasken zu tragen. «Ich werde mir zu Hause eine
nähen», sagt eine Seniorin, die am Dienstag im Stadtzentrum unterwegs
ist. Ein Student will sich mit einem großen Schal über dem Mund
behelfen, wie er an diesem sonnigen Vormittag erzählt. Auf Facebook
gibt es neben Zustimmung derweil auch Kritik. «Blinder Aktionismus»,
kritisiert ein Nutzer. «Ich würde die Leute zusätzlich noch zu
Einweghandschuhen zwingen. Das wird ein Spaß», bemerkt ein anderer.
Auch in der Politik gehen die Meinungen darüber auseinander.

Nach Angaben der Stadtverwaltung soll das Tragen eines
Mund-und-Nasen-Schutzes in Verkaufsstellen, dem öffentlichen
Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr in einer Woche
verpflichtend werden. Die Umsetzung werde schrittweise erfolgen,
sagte Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) der Deutschen
Presse-Agentur. «Wir wollen so die weitere Verbreitung des Virus
innerhalb der Stadt durch Tröpfcheninfektion beim Niesen oder Husten
eindämmen.» Beim Spazierengehen, Joggen oder anderen Aktivitäten im
Freien sei allerdings kein Mundschutz Pflicht, ergänzte er.

Das Stadtoberhaupt betonte, dass es bei diesem Schritt nicht um den
Eigenschutz, sondern um den Schutz anderer wie Verkäufer, Busfahrer
und Pfleger gehe. Denn es sei neben den bestätigten Infektionen von
einer hohen Dunkelziffer in der Bevölkerung auszugehen. Von diesen
Menschen werde das Virus weitergetragen. Neben Masken seien auch
Tücher oder Schals als Schutz möglich, wenn sie Nase und Mund
bedeckten. Zudem seien die Bürger aufgerufen, selbst Mundschutze zu
nähen nach dem Motto «Bürger nähen für Bürger».

Die Universitätsstadt gilt in Thüringen als Brennpunkt der
Corona-Pandemie mit inzwischen mehr als 100 bestätigten Infektionen.
Schon vor rund eineinhalb Wochen war sie mit einem Betretungsverbot
für öffentliche Orte in Gruppen vorgeprescht. Mit dem Schritt nun
folgt sie dem Vorbild Österreichs. Die dortige Regierung hatte am
Montag eine Mundschutzpflicht unter anderem für Einkäufe in
Supermärkten angekündigt.

Dabei ist der Nutzen der Masken umstritten: Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht im Kampf gegen die
Ausbreitung des Coronavirus keinen Nutzen im allgemeinen
Mundschutz-Tragen. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass damit
etwas gewonnen wäre, hatte WHO-Nothilfedirektor Michael Ryan zu
Wochenbeginn in Genf gesagt. Vielmehr gebe es zusätzliche Risiken,
wenn Menschen die Masken falsch abnähmen und sich dabei womöglich
infizierten.

Entsprechend sind die Meinungen unter Politikern und Kommunen
gespalten. «Eine Maskenpflicht halte ich im Moment nicht für
sinnvoll», erklärte Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke). «Das

vermittelt ein falsches Gefühl von Sicherheit.» Zugleich mahnte sie,
dass überall im Freistaat die gleichen Regeln gelten sollten. «Alles
andere ist schwer zu erklären.» Ihre sächsische Amtskollegin Petra
Köpping (SPD) empfahl dagegen ausdrücklich Atemschutzmasken gegen das
Coronavirus. Sie halte es «für außerordentlich wichtig, dass man in
der Öffentlichkeit eine Maske trägt», sagte sie in Dresden. Von einer

Maskenpflicht ist auch in Sachsen allerdings noch keine Rede.

Allerdings könnte der Vorstoß Jenas andernorts Schule machen. So will
etwa der Kreis Nordhausen dem Vorstoß folgend ebenfalls per
Allgemeinverfügung Festlegungen zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz
treffen. Dagegen will der Saale-Orla-Kreis, wo Anfang März der erste
Thüringer Corona-Fall bestätigt wurde, dem Beispiel nicht folgen.

«Das Tragen eines Mundschutzes dient mehr der gefühlten Sicherheit
als einem tatsächlichen Schutz vor Sars-CoV-2», erklärte der Leiter
des Schleizer Pandemiestabes, Torsten Bossert. Masken, die wirklichen
Schutz böten, seien nicht in ausreichender Menge verfügbar, um weite
Teile der Bevölkerung auszurüsten. «Hier sollte das medizinische
Personal Vorrang genießen.» Bossert betonte, wer die Abstandsregel
von mindestens eineinhalb Metern einhalte, brauche keinen Mundschutz.

Reserviert zeigte sich auch das Landratsamt im Kreis Greiz, der wie
Jena zu den Corona-Brennpunkten im Freistaat zählt. «Wenn, dann
sollten Atemschutzmasken von infizierten Personen getragen werden, um
zu verhindern, dass Corona über Tröpfcheninfektion an nicht
infizierte Personen weitergegeben wird», betonte Landrätin Martina
Schweinsburg (CDU) auf Anfrage. «Diese Personen sind in medizinischer
Behandlung und in häuslicher Quarantäne.»