Jena plant Maskenpflicht - Aber keine bundesweite Einführung geplant

CSU-Chef Söder will, dass Deutschland in Sachen Schutzmasken in die
Notfallproduktion geht. Die Stadt Jena und eine weitere Kommune in
Thüringen planen sogar eine Mundschutz-Pflicht. Doch der Nutzen der
Masken zur Abwehr des Coronavirus ist umstritten.

Jena (dpa) - Die thüringische Großstadt Jena plant im Kampf gegen die
Coronavirus-Pandemie eine Maskenpflicht - bundesweit aber soll eine
solche Maßnahme derzeit nicht umgesetzt werden. Nach Angaben der
Jenaer Stadtverwaltung soll das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes
in Verkaufsstellen, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebäuden mit
Publikumsverkehr «in einer Woche» verpflichtend sein. Vizekanzler
Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
sprachen sich dagegen im Moment gegen eine allgemeine Masken- oder
Mundschutzpflicht aus. Bundesinnenminister Horst Seehofer appellierte
an die Industrie, an der Herstellung dringend benötigter
Medizinprodukte mitzuwirken.

Die Universitätsstadt Jena mit ihren rund 110 000 Einwohnern gilt in
Thüringen als ein Brennpunkt bei der Ausbreitung der Lungenkrankheit
und hat inzwischen mehr als 100 bestätigte Infektionen.
Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) sagte der Deutschen
Presse-Agentur, die Maskenpflicht solle schrittweise umgesetzt
werden. Es gehe nicht um den Eigenschutz, sondern den Schutz anderer
wie Verkäufer, Busfahrer und Pfleger. Nach Jena kündigte auch der
thüringische Landkreis Nordhausen eine entsprechende Verfügung an.

Beide Kommunen folgen Österreich: Die dortige Regierung hatte eine
Mundschutzpflicht unter anderem für Einkäufe in Supermärkten am
Montag angekündigt. Dabei ist der Nutzen der Masken umstritten: Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht keinen Nutzen im allgemeinen
Mundschutz-Tragen. Vielmehr gebe es Risiken, wenn Menschen die Masken
falsch abnähmen und sich dabei womöglich infizierten.

CSU-Chef Söder sagte zu einer möglichen Mundschutzpflicht wie in
Österreich: «Man kann nichts ausschließen.» Es sei aber nun wichtig
,
Geduld zu bewahren und alles zu tun, um soziale Kontakte zu
reduzieren. Bei guten Masken herrsche im Moment ein Engpass. Eine
allgemeine Pflicht könnte wieder zu Hamsterkäufen führen.

Vizekanzler Scholz sagte nach Beratungen mit dem bayerischen Kabinett
in München, man habe weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Virus

beschlossen. Nun müsse man erst einmal Sorge tragen, dass diese
eingehalten würden und wirkten. Die Masken, die man brauche, seien
für medizinisches Personal und solches anderer kritischer Bereiche.
Man müsse dafür sorgen, dass es dafür eine genügend große Zahl ge
be.

Scholz kündigte die Produktion von Corona-Schutzmasken in Deutschland
an. «Wir brauchen hierzulande eigene Produktionen, die wir jedenfalls
für diese Zeit auf den Weg bringen müssen», sagte er. Es gebe eine
ganze Reihe von Herstellern, die zur Maskenproduktion bereit seien.
«Das kann jetzt ganz schnell geschehen, und wir sind dabei, das mit
großem Nachdruck umzusetzen.» Im Gegenzug gebe der Bund
«Finanzzusagen, die erforderlich sind, damit Unternehmen jetzt
gewissermaßen in das Risiko gehen, ihre Produktion umstellen und
Dinge herstellen, die sie vielleicht nicht ewig herstellen werden».

Söder hatte im ARD-«Morgenmagazin» eine «nationale Notfallproduktio

von Schutzmasken gefordert. «Was wir dringend brauchen sind mehr
Masken und zwar die hochwertigen Masken für unser gesamtes Personal
in den Krankenhäusern und Arztpraxen», sagte er. Die deutsche
Wirtschaft müsse jetzt darauf umstellen.

Bundesinnenminister Seehofer (CSU) appellierte an die deutsche
Industrie, in der Notlage an der Herstellung dringend benötigter
Medizinprodukte mitzuwirken. Es sei doch richtig, «dass wir die Kraft
unserer Volkswirtschaft nutzen, um den Mangel zu beheben» sagte
Seehofer in «Bild Live». Als Lehre aus der Pandemie solle gesetzlich
geregelt werden, dass Medikamente in Deutschland stets ausreichend
vorrätig sein müssten.

Der FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer forderte, die
Bundesregierung müsse mehr Führungsverantwortung übernehmen und im
Dialog mit der Wirtschaft die Notproduktion von Schutzmasken
organisieren. Er sprach vom Fehlen einer Milliarde Masken.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner kritisierte
Söders Vorstoß als «unrealistisch» und «unsolidarisch». Es brau
che
Zulieferung aus dem Ausland, um möglichst schnell und viel
Schutzausrüstung herzustellen. «Da hilft eine staatliche europäische

Koordinierung mehr als nationale Alleingänge.»