«#FreeESC»: Stefan Raab will Virus nicht über Musik siegen lassen Von Christof Bock, dpa

Statt ESC nun «#FreeESC»: Deutschlands erfolgreichster Showproduzent
will in der Corona-Krise die Lücke des abgesagten Spektakels füllen.
Wie das im Detail gehen soll, lässt er zunächst weitgehend offen.

Berlin (dpa) - Stefan Raab und der Eurovision Song Contest - das ist
eine Geschichte von Krise und Rettung. Von Leidenschaft und Erfolg.
Genau der Heldenmythos, den die Deutschen zwischen der Virengefahr
und dem Budenkoller in den eigenen vier Wänden so bitter nötig haben.

Seit den 90er Jahren hat die 53 Jahre alte Rampensau im Ruhestand den
ESC immer wieder aufgerollt und Schützlinge an den Start gebracht,
die sich deutlich besser platzierten als auf Deutschlands gewohnten
Loser-Rängen. Mit Lena Meyer-Landrut gelang Raab 2010 dann das
Wunder: Der Indie-Hit «Satellite» holte den Sieg nach Deutschland.

Im Jahr 2020 steckt nicht nur - wie gewöhnlich - Deutschland in einer
ESC-Krise: Der für Mai geplante Wettbewerb in Rotterdam findet wegen
Corona nicht statt. Das hat es seit 1956 nie gegeben. Und wie vielen
Schatten auf Europa der Wettbewerb in der Zeit getrotzt hat! 1982 war
da der Falkland-Krieg, 1986 die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl,
2016 wurden die Terroranschläge von Brüssel begangen - um nur drei
Beispiele in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum ESC-Finale zu nennen.

Stefan Raab will sich offensichtlich auch von dem Coronavirus nicht
kleinkriegen lassen. Er ruft abseits vom offiziellen ESC eine eigene
Show aus. Dieses Jahr, während vermutlich erst mal nirgends in der
Welt größere Konzerte stattfinden und Deutschland über Atemmasken im

Supermarkt diskutiert, gibt der Entertainer trotzig die Devise aus:
«Besondere Herausforderungen brauchen besondere Lösungen. An diesem
Abend kommt Europa auf besondere, einzigartige Weise zusammen.»

Als Ersatz für den abgesagten Eurovision Song Contest (abgekürzt ESC)
2020 planen Raab und der Fernsehsender ProSieben einen «neuen, freien
europäischen Songwettbewerb». Er soll am 16. Mai in Köln unter allen

«aktuellen gesetzlichen Auflagen und (...) Vorgaben der
Gesundheitsbehörden» stattfinden und «Free European Song Contest»
heißen. Das wäre ursprünglich der Termin des abgesagten ESC gewesen.

Raab will die Show produzieren, wie der Sender am Dienstag mitteilte.

ProSieben stellte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur klar,
dass diese Aktion kein Aprilscherz sei. Der Sender zitierte Raab in
seiner Mitteilung mit den Worten: «Musik verbindet besonders in
schwierigen Zeiten viele Menschen miteinander. Dies ist die
Geburtsstunde eines neuen, freien europäischen Songwettbewerbs.»

ProSieben-Chef Daniel Rosemann sprach von einer «großartigen
Möglichkeit, Europa in diesen Zeiten mit einem neuen Musikwettbewerb
zu leben und zu feiern». Details wollen die Organisatoren in Kürze
präsentieren. Der Hashtag zur Show lautet «#FreeESC».

Die Reaktionen im Netz unter diesem Hashtag sind gemischt, es
überwiegen Beifall und Sympathie für so viel Mut und Chuzpe. «Ich
persönlich gebe Raab einen Vertrauensvorschuss. Wenn er involviert
war, ging es dem ESC für Deutschland immer ziemlich gut», schreibt
ein User. «Befürchtung: Wir kriegen die üblichen ProSieben Stars zu
sehen, welche dann ihre Nation vertreten. Lasse mich aber gerne
überraschen», erwidert ein anderer. Man darf gespannt sein.