Abi ohne Prüfungen? - Plan B ist jetzt gefragt Von Andreas Heimann, dpa

Die Kultusminister wollen, dass die Abiturprüfungen stattfinden - die
Berliner Bildungssenatorin inklusive. Der Landesschüleraussschuss und
die GEW fordern einen Plan B. Wie könnte der aussehen?

Berlin (dpa/bb) - Berlins Schülerinnen und Schüler, die sich auf die
Abiturprüfungen vorbereiten, können nicht sicher sein, ob sie
wirklich stattfinden. Manche plädieren längst dafür, sie ausfallen zu

lassen. «Wir nehmen die Sorgen der Abiturientinnen und Abiturienten
natürlich ernst», sagte der Sprecher der Bildungsverwaltung Martin
Klesmann am Dienstag. Die Kultusministerkonferenz (KMK) habe sich
allerdings in der vergangenen Woche auf ein einheitliches Vorgehen
verständigt, wonach die geplanten Prüfungen nach den Osterferien
stattfinden sollen.

«Senatorin Scheeres hat betont, dass diese auch in sonst
geschlossenen Schulen stattfinden werden», sagte Klesmann. «Ihr ist
es wichtig, dass die Bundesländer hier gemeinsam vorgehen. Sollte
sich die Lage ändern, sind wir auch auf Alternativmodelle
vorbereitet.» Miguel Gongora vom Landesschülerausschuss forderte in
der «taz» (Dienstag): «Wir wollen, dass alle Prüfungen abgesagt
werden.»

Die Abiturprüfungen ausfallen zu lassen, ist nach Einschätzung des
Berliner Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
(GEW), Tom Erdmann, machbar. In Berlin sind die Schulen seit Mitte
März bis zum 20. April geschlossen. «Wenn das öffentliche Leben dann

wieder funktioniert, sollten die Abiturprüfungen stattfinden», sagte
Erdmann. Aber das sei nicht absehbar. «Die Bildungsverwaltung muss
sich ab Ostern ernsthaft Gedanken machen, wie ein Abitur ohne
Prüfungen aussehen kann.»

In dem Fall könnten alle Schülerinnen und Schüler ein Abi bekommen,
die zur Prüfung zugelassen waren. Die Abiturnote müsste sich dann auf
der Grundlage der bisherigen Leistungen berechnen. «Das hätte
allerdings den Nachteil, dass die Schüler ihre Noten nicht mehr
verbessern können», sagte Erdmann. «Es wird in diesem Jahr kein
gerechtes Abitur geben.» Denn keine Lösung werde allen gerecht.

Auch Berlins Elternausschuss-Vorsitzender Norman Heise weist darauf
hin, dass manche Schüler erst bei den Abiprüfungen richtig aufdrehen
würden. Die seien dann im Nachteil. Es sollte deshalb die Möglichkeit
geben, freiwillig an den Prüfungen teilzunehmen, forderte er.

Heise hält es für realistisch, die Prüfungen generell aber auch dann

durchzuführen, wenn die Schulen nach den Osterferien noch geschlossen
sein sollten. Es gebe genügend Räume, viele Schulen hätten auch gro
ße
Menen und Sporthallen. «Wir gehen auch davon aus, dass es genügend
Personal für die Aufsicht gibt.»

Unter den Berliner Eltern seien die Ansichten sehr unterschiedlich,
sagte Heise der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt solche, die sagen,
unser Kind hat sich darauf vorbereitet und will die Arbeiten
schreiben, und andere, die verunsichert sind und genau das nicht
wollen.»

Tom Erdmann weist darauf hin, dass es Gründe gibt, die gegen die
Prüfungen sprechen: So seien diejenigen benachteiligt, die sich zu
Hause schlechter darauf vorbereiten konnten, sagte der
GEW-Vorsitzende. «Nicht alle können dort gleich gut lernen.»

Die Prüfungsvorbereitungen seien ohnehin erheblich erschwert, etwa
weil die Bibliotheken geschlossen und keine Treffen von
Prüfungsgruppen möglich seien. Das gelte ähnlich auch für andere
Schulabschlüsse wie den Mittleren Schulabschluss (MSA). Die gleichen
Überlegungen wie zum Abitur müssten auch in diesen Fällen angestellt

werden, verlangte Erdmann.

Norman Heise wünscht sich von der KMK eine offene Diskussion über all
diese Fragen, damit Eltern und Schüler mitdiskutieren könnten. «Es
ist für alle eine außergewöhnliche Belastung zurzeit.» Und er schl
ägt
vor, die Hochschulen sollten überlegen, nicht das Abitur
vorauszusetzen, sondern stattdessen Eignungstests für das jeweilige
Studienfach anzubieten - dann wäre die Diskussion um die Prüfungen
überflüssig, die vielen Eltern und Schülern Sorgen macht.