Von der Straße ins Hotel - Hilfe für Wohnungslose Von Andreas Arnold und Peter Zschunke , dpa

Ein Business-Hotel bekommt keine Tagungsgäste mehr und stellt seine
Zimmer für Menschen bereit, die auf der Straße leben. Obachlose seien
eine besonders kritische Risikogruppe in der Corona-Krise, erklärt
der Sozialmediziner Trabert.

Mainz (dpa/lrs) - Not macht solidarisch: Die schwierige Situation von
Obdachlosen in der Corona-Krise hat in Rheinland-Pfalz zu
vielfältigen Initiativen geführt. «Es gibt momentan ganz neue
Netzwerke», freut sich der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert im
Hotel INNdepence. Das sonst von Privatreisenden und Tagungsgästen
genutzte Business-Hotel in der Mainzer Oberstadt hat jetzt vier
Wohnungslose aufgenommen. «Wir bereiten uns darauf vor, dass wir
demnächst 25 wohnungslose Gäste aufnehmen», sagt Hotelleiter Johannes

Jung.

«Wir brauchen mehr von diesem Engagement und ich wünsche mir, dass
dieses gute Beispiel auch in anderen Kommunen Schule macht, und sich
noch viele derzeit leerstehende Pensionen und Hotels dafür
entscheiden, Zimmer für Menschen in Not anzubieten», sagt
Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). «Gerade auch in

Krisenzeiten müssen wir an die Schwächsten denken.»

Das sind Menschen wie Klaus Perlich, der drei Jahrzehnte in Portugal
lebte. Als vor fünf Jahren seine Frau starb und er dann auch noch
krank wurde, kehrte er wegen der besseren medizinischen Versorgung
nach Deutschland zurück. «Auf der Straße zu leben, war für mich
furchtbar», sagt der 78-Jährige. «Mir ist zweimal meine Tasche
gestohlen worden mit allen Papieren.» Bei den Behörden habe er ohne
festen Wohnsitz immer wieder Schwierigkeiten gehabt. «Da kam man sich
noch vereinsamter vor und überflüssiger, als man sich schon ohnehin
gefühlt hat.» Im Anschluss an eine Operation wurde Perlich vom Verein
Armut und Gesundheit in Deutschland, wo sich Trabert engagiert,
ärztlich weiterbetreut und erhielt nun das Angebot, im Hotel
INNdependence unterzukommen. «Jetzt weiß ich, wo ich schlafen kann,
wo ich mich aufhalten kann, es ist jetzt für mich eine zusätzliche
Sicherheit und ich hoffe, dass diese Seuche bald ein Ende hat.»

Wohnungslose Menschen seien aufgrund häufig vorliegender chronischer
Erkrankungen und einer Multimorbidität - also das gleichzeitige
Bestehen mehrerer Krankheiten - besonders gefährdet, sich mit dem
Coronavirus zu infizieren und dann auch einen schweren
Krankheitsverlauf zu erleiden, erklärt Trabert. «Andererseits stellen
sie auch eine Infektionsquelle dar, da es keine Schutzräume,
Isolationsmöglichkeiten, Wohnmöglichkeiten und intensive medizinische
Versorgungsmöglichkeiten gibt.» Der Verein Armut und Gesundheit in
Deutschland fordert daher ein bundesweites und ein sofortiges
kommunales Versorgungskonzept.

Am wirksamsten funktioniert das, wenn wie bei der Hotelunterkunft in
Mainz Land, Stadt und private Initiativen zusammenfinden. In
Ingelheim hat die Stadt nach Angaben des Vereins FoodFighters die
Alte Markthalle bereitgestellt, damit Helfer des Vereins dort
Lunchpakete für Obdachlose ausgeben können. Der Vereinsvorsitzende
Michael Schieferstein sagt, er wolle ein Ersatzangebot für die wegen
der Corona-Krise eingestellten Tafeln auf die Beine stellen. «Das
darf so nicht stehen bleiben in unserer Überflussgesellschaft. Die
Ärmsten der Armen dürfen nicht durch das soziale Raster fallen.» Auch

in Bingen und Bad Kreuznach sind die «FoodFighters» mit der Stadt im
Gespräch.

Im Hotel INNdependence werden nach Angaben von Hotelleiter Jung nun
einige Abläufe geändert. So wird etwa das Frühstück vom Büffet au
f
einen Tabletservice umgestellt. «Wir müssen auch schauen, dass wir
einen sozialpädagogischen Dienst mit einplanen, einen
Sicherheitsdienst, und die Mitarbeiter darauf schulen, wie sie mit
den wohnungslosen Menschen umgehen.» Das Hotel ist ein
Inklusionsbetrieb der gpe gGmbH in Mainz und beschäftigt Menschen,
die selbst Not erfahren haben. «Wir haben einen Mitarbeiter, der war
selber wohnungslos zwei Jahre», sagt Jung. «Ich könnte mir schon
vorstellen, dass da sein Erfahrungsschatz, seine Tipps uns
weiterhelfen.»