Gegen Corona-Panik: Weißrusslands Staatschef redet die Gefahr klein Von Ulf Mauder, dpa

Volle Cafés, Fußball in Stadien und Schulbetrieb - inmitten eines
allgemeinen Lockdowns in Europa gibt sich Weißrussland als Insel der
Freiheit. Der autoritäre Staatschef Lukaschenko kämpft gegen die
Panik - und redet die Gefahr klein. Doch es regt sich Kritik.

Minsk (dpa) - Kämpferisch zeigte sich der 65-jährige Alexander
Lukaschenko dieser Tage in Eishockey-Montur im Stadion in Minsk bei
einer Partie. Wintersport sei das beste Mittel im Kampf gegen das
Coronavirus, meinte der Staatschef von Weißrussland (Belarus) launig.
Während in Europa das Leben zum Stillstand kommt, wettert Präsident
Lukaschenko fast täglich gegen die «Corona-Panik» allerorten. Und er

warnt immer wieder, dass der wirtschaftliche Schaden durch den
Lockdown überall größer sein werde als die Virus-Gefahr.

Zwar geht etwa in Europa auch Schweden einen Sonderweg mit weniger
Einschränkungen des öffentlichen Lebens als in anderen Ländern. Aber

ausgerechnet der als «letzter Diktator Europas» verschriene
Lukaschenko setzt in diesen Krisenzeiten auf beispiellose Freiheiten
statt auf Verbote und Strafen. Der Schulbetrieb? Läuft. Die
Restaurants und Cafés in der Hauptstadt Minsk? Gut besucht. Geschäfte
und Büros? Geöffnet. Dabei gelten die Empfehlungen der
Weltgesundheitsorganisation im Kampf gegen die Pandemie auch für
Belarus, das zum Wochenstart 152 Infizierte meldete.

Weltweit für Aufsehen sorgte zuletzt auch, dass Belarus als einziges
Land seine erste Liga noch Fußball spielen lässt. Der Ball in der
nationalen Meisterschaft rollt - in den Stadien jubeln Zuschauer auf
den Tribünen. Selbst beim Nachbarn Russland - oft das Maß der Dinge
für das Leben in Belarus - steht das öffentliche Leben fast still.
Aber Lukaschenko betont, dass er sich von niemandem abbringen lasse
von seinem Kurs. Er sieht den Höhepunkt der Corona-Krise erreicht.

Dabei bemerken auch unabhängige Medien, dass das Land mit seinen
9,5 Millionen Einwohnern medizinisch durchaus besser aufgestellt sei
als etwa die Krisenpunkte Italien, Spanien oder die USA. Demnach gibt
es mehr als 2000 Beatmungsmaschinen in der Ex-Sowjetrepublik - ein
deutlich höherer Pro-Kopf-Anteil als anderswo. Vor allem aber die
Staatsmedien zeichnen das Bild eines Landes, das in der weltweiten
Krise alles im Griff hat.

So erklärt das etwa Irina Glinskaja, die stellvertretende Chefärztin
des nationalen Zentrums für Hygiene und Epidemiologie, dass
Coronavirus-Patienten sofort im Krankenhaus isoliert würden.
Epidemie-Brigaden würden dann ausrücken, um Wohnung, Arbeitsplatz und
andere Aufenthaltsorte des Betroffenen zu desinfizieren. «Die
Kollegen in Deutschland etwa verfolgen nur die engsten Kontakte (.)
dieser Menschen. Sie werden dort nicht auf Station isoliert, sondern
können in Selbstisolation. Das ist auch eine Möglichkeit. Aber unsere
Maßnahmen gehen weiter», sagt Glinskaja der Staatsagentur Belta.

Das von Menschenrechtlern als Überwachungsstaat kritisierte Belarus
macht nach Darstellung von Präsident Lukaschenko mithilfe von
Polizei, KGB-Geheimdienst und Videokameras jeden ausfindig, der mit
einem Infizierten Kontakt hatte. «Wir kümmern uns. Aber ohne Lärm und

ohne Staubaufwirbeln», sagt er.

«Wegen dieser Psychose ist heute die Wirtschaft praktisch der ganzen
Welt zum Erliegen gekommen», meint Lukaschenko. Und er kritisiert
auch, dass alle Nachbarn - die EU-Staaten Polen, Litauen und Lettland
sowie die Ukraine und Russland ihre Grenzen geschlossen haben.
Belarus werde trotzdem seine Funktion als Transitland für den
Warenverkehr weiter erfüllen, betont er.

Noch kann Belarus sein Vorgehen mit vergleichsweise wenigen
Coronavirus-Fällen begründen. Doch die Opposition wirft Lukaschenko
Fahrlässigkeit vor. Auch in Belarus sähen die Menschen, was überall
auf der Welt los ist - deshalb fruchte die Beschwichtigung nicht,
meinte die christlich-konservative Partei Belarussische Volksfront.
Die Menschen hätten Angst. Bildungs- und Vergnügungseinrichtungen
müssten geschlossen, Veranstaltungen mit mehr als 30 Menschen
verboten werden, fordert die Partei.

Doch Lukaschenko, der seit mehr als 25 Jahren regiert - so lange wie
niemand sonst in Europa - schlug Bedenken auch am Dienstag in den
Wind. Schon gar nicht sehe er einen Grund, die Präsidentenwahl
im August abzusagen. Da will er wieder antreten. Später am Tag musste
er dann noch den ersten Coronavirus-Todesfall in seinem Land
bekanntgeben. Demnach starb ein 75 Jahre alter Theaterschauspieler
aus der Stadt Witebsk an der Lungenkrankheit Covid-19.