Polizei erwartet Anstieg von Betrugsfällen in Corona-Krise

Sie tarnen sich als Mitarbeiter des Gesundheitsamts und verschaffen
sich Zutritt zu Wohnungen - Betrüger nutzen die Angst vieler Menschen
vor dem Coronavirus schamlos aus. An anderer Stelle wird als Folge
der Pandemie weniger Kriminalität erwartet.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Vor allem ältere Menschen sehen
Kriminalitätsforscher wegen der Corona-Pandemie in noch größerer
Gefahr als sonst, Opfer von Betrügern zu werden. Derzeit herrsche in
der Bevölkerung angesichts der Ausbreitung des Virus ohnehin Angst
und Verunsicherung, sagte der Kriminologe Martin Rettenberger der
Deutschen Presse-Agentur. Senioren seien derzeit noch isolierter als
ohnehin, deshalb sei Aufklärung besonders wichtig. Wegen der
Bewegungseinschränkungen rechnet der Direktor der Kriminologischen
Zentralstelle in Wiesbaden auch mit einer Zunahme von häuslicher
Gewalt.

Dies sieht auch die Polizei so: «Wir haben das Thema häusliche Gewalt
im Blick, weil es häufiger werden könnte», sagte der Sprecher des
Polizeipräsidiums Südosthessen, Rudi Neu. Zugleich sei mit weniger
Wohnungseinbrüchen zu rechnen, da die Bewohner wegen der
Ausgangsbeschränkungen mehr zuhause seien. Im Gegenzug seien aber
vermehrte Einbrüche in gewerbliche Immobilien zu erwarten. Zahlen
dazu gebe es noch nicht. Weniger Einbrüche vermeldet auch das
Polizeipräsidium in Nordhessen; in Süd- und Osthessen zeichnet sich
nach Auskunft der Polizeisprecher noch kein Trend ab.

Insbesondere der Betrug mit dem sogenannten Enkel-Trick sei schnell
an die Corona-Lage angepasst worden, sagte eine Sprecherin des
Hessischen Landeskriminalamts (LKA). Seit Bekanntwerden des
Corona-Virus erhielten Senioren etwa Anrufe mit der Nachricht, dass
ein angeblich naher Verwandter im Krankenhaus liege und dringend Geld
für die medizinische Behandlung benötige. In einer anderen
Betrugsvariante heißt es, Verwandte säßen im Ausland fest, könnten

nicht mehr zurückfliegen und benötigten deshalb dringen Geld. «Mit
weiteren Abwandlungen des Enkeltricks ist zu rechnen - der Fantasie
sind leider keine Grenzen gesetzt», hieß es.

Vorsicht sei auch geboten, wenn angebliche Mitarbeiter des
Gesundheitsamtes Corona-Tests an der Haustür anbieten oder den
Bestand an Desinfektionsmitteln im Haus kontrollieren wollen.

Auch beim Diebstahl zeichnen sich nach Angaben des LKA neue
kriminelle Begehrlichkeiten ab: So wurde im Vergleich zu
vorangegangenen Monaten eine Zunahme von Diebstählen etwa von
Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln bei Herstellern,
Krankenhäusern, Arztpraxen und ähnlichen Einrichtungen festgestellt.

«Häusliche Gewalt wird zunehmen, weil viel mehr Menschen gerade auf
engem oder begrenztem Raum leben müssen. Dadurch entstehen Konflikte
und manche tun sich schwererer, mit diesen Konflikten umzugehen, als
andere», sagte Rettenberger. Für Kinder sei die Schule immer auch die
Möglichkeit, aus schwierigen häuslichen Verhältnissen zumindest für

eine beschränkte Zeit herauszukommen. Hilfemöglichkeiten wie
Notfalltelefone sollten deshalb weiter erreichbar sein und eventuell
sogar ausgebaut werden. Auch Angebote für hilfesuchende Frauen
müssten weiter erreichbar sein.

In Sachen Betrug seien bereits mehrere neue Maschen bekannt geworden:
«Am Telefon wird jemand ins Gespräch verwickelt, dass ein naher
Angehöriger infiziert sei und jetzt ganz dringend Geld braucht, und
das muss man dann an einem bestimmten Ort übergeben.» Oder es gebe
Versuche, sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen, indem gesagt wird,
dass desinfiziert werden müsse. Dabei werde die Verunsicherung wegen
der Ausbreitung des Erregers ausgenutzt. «Wenn jetzt Jemand anruft
und sagt, hier ist das Gesundheitsamt und wir haben eine ganz
wichtige Mitteilung, da würde jeder erst einmal zuhören», sagte
Rettenberger.

Doch niemals sollte man Entscheidungen spontan fällen, man solle
keine persönliche Daten am Telefon preisgeben und sich immer Ausweise
zeigen lassen. Polizei und Gesundheitsamt gingen nicht von Haus zu
Haus. Und wenn dies in einer Ausnahmesituation vielleicht einmal der
Fall sei, würden solche Maßnahmen zuvor über die Medien angekündigt
.

Eine Zunahme erwartet Rettenberger auch beim illegalen Handel mit
angeblichen Medikamenten im Internet und fingierten Angeboten von
Hygieneartikeln zu völlig überteuertem Preis. Gleiches gelte für den

Versuch, Menschen mit Mails zu Klicks zu verleiten, mit denen sie
sich Schadsoftware auf ihren Computer holen.

Neben weniger Einbrüchen erwartet der Experte zugleich einen
generellen Rückgang von Gewalt in der Statistik. Denn die meisten
derartigen Taten begingen junge Menschen im öffentlichen Raum, auch
am Rande von Fußballspielen. Doch diese finden derzeit nicht statt.