NRW trifft Vorbereitungen für äußersten Corona-Notfall

Nordrhein-Westfalen will vorbereitet sein für den äußersten
Corona-Notfall. Kliniken werden besser vernetzt, das öffentliche
Leben bleibt lahmgelegt. Und im Notfall will die Landesregierung per
Gesetz drastische Maßnahmen ergreifen können.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Mit einem außergewöhnlichen Epidemie-Gesetz
und einer stärkeren Vernetzung von Krankenhäusern bereitet sich NRW
für den Fall vor, dass die Corona-Pandemie das Land mit großer Wucht
trifft. Im «äußersten Notfall» wäre es durch das von der
Landesregierung geplante Gesetz möglich, Ärzte, Pfleger und
Rettungskräfte im Kampf gegen die Epidemie zum Dienst zu
verpflichten. Das Land könnte außerdem medizinisches Material und
Geräte bei Firmen sicherstellen. Fachleute und Oppositionspolitiker
kritisierten, das Gesetz der schwarz-gelben Landesregierung greife
massiv in Grundrechte von Bürgern und Unternehmen ein.

Während sich die medizinischen Kräfte hochmotiviert auf eine Vielzahl
von Patienten vorbereiten, kämpfen Krankenhäuser, Pflegedienste und
Ärzte weiter mit einem extremen Mangel an Schutzmaterial. Der Preis
für knappe Atemschutzmasken ist nach Schilderung von Krankenhäusern
in den letzten Wochen ins Utopische gestiegen. Auch die
Landesregierung sprach von «mafiösen Strukturen» auf dem Markt. Auch

dagegen soll das Gesetz helfen.

«In diesen Wochen, in denen wir vor allem auf dem Markt mit
Schutzausrüstung zum Teil Wild-West-Methoden erleben, haben wir eines
gelernt: Der Staat muss gegenüber den wenigen Unverantwortlichen auch
durchgreifen können», verteidigte Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU) im «Kölner Stadt-Anzeiger» (Dienstag) den
Gesetzentwurf. Maßnahmen wie die Beschlagnahmung von Material und
Geräten seien nur für den absoluten Ausnahmefall gedacht. Der
Ausnahmecharakter gelte erst recht für die Möglichkeit, auch
medizinisches und pflegerisches Personal als Ultima Ratio zum Dienst
verpflichten können: «Ich hoffe und glaube, dass wir das nie brauchen
werden, weil das Engagement gerade bei den Pflegekräften und
Medizinern schon heute sehr, sehr groß ist. Aber im absoluten Notfall
muss der Staat handlungsfähig sein», erklärte er.

Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen in Nordrhein-Westfalen
stieg unterdessen nicht mehr so stark wie in den Tagen zuvor. Am
Montag (16.00 Uhr) meldete das NRW-Gesundheitsministerium 14 442
Infizierte. Am Sonntag (11.30 Uhr) waren es gut 800 weniger. Die Zahl
der Toten erhöhte sich um 20 auf 130.

Um vor allem den kleineren Krankenhäusern im Land bei der oft
komplexen Behandlung von Corona-Patienten zu helfen, bekommen die
Ärzte dort nun Unterstützung: Durch eine Live-Übertragung mit den
Unikliniken Aachen und Münster können sie seit Montag von der
wissenschaftlichen Expertise dort profitieren. Etwa die Hälfte der
rund 600 Intensivbetten im Land gibt es in Krankenhäuser der Grund-
und Regelversorgung - also in kleineren Häusern. Die exzellente
Kenntnis in den Unikliniken könne auf diesem Weg bis in jedes
Krankenhaus wirken, das diese Expertise nicht habe, sagte
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in Aachen.

Das öffentliche Leben in Nordrhein-Westfalen liegt durch das
Coronavirus weiterhin weitgehend lahm. Ein Eiscafé-Betreiber wollte
per Eilantrag am Verwaltungsgericht Minden erreichen, dass er sein
Café wieder öffnen darf - und scheiterte. Nach Meinung der Richter
sind Kaffee und Eis keine lebenswichtigen Güter zur Versorgung der
Bevölkerung - also durften die Behörden das Café schließen.

Auch auf den Straßen ist es so ruhig wie nie. 70 Prozent weniger
Verkehr als im Vergleichszeitraum 2019 seien für das Wochenende
21./22. März verzeichnet worden, berichtete die Verkehrszentrale des
Landesbetriebs Straßen.NRW. Von Montag bis Freitag der vergangenen
Woche hat die Verkehrszentrale in den Ballungsräumen einen Rückgang
des Verkehrs von bis zu 40 Prozent verzeichnet. Ausnahme: der
Lkw-Verkehr. Hier wurde nur ein geringer Rückgang gemessen.

Auch der Reiseverkehr zu Ostern wird ausbleiben. Die niederländische
Küstenprovinz Zeeland - für viele Menschen in NRW so etwas wie die
zweite Heimat - hat per Notverordnung Übernachtungen von Touristen
ausdrücklich verboten. Alle Besucher mussten bis Montagmittag ihre
Unterkünfte verlassen. Die Verordnung gilt bis zum 10. Mai.

Eine besondere Aktion in der Krise startete BAP-Sänger Wolfgang
Niedecken mit dem Lied «Huh die Jläser, huh die Tasse» (Hoch die
Gläser, hoch die Tassen). «Es ist eine tiefe Verbeugung vor all
jenen, die uns jetzt den Arsch retten», sagte der Kölsch-Rocker. Das
Video zum Song, das schon auf verschiedenen Internet-Plattformen zu
sehen ist, soll aber noch ausgetauscht werden. «Wir haben vor, dieses
Video in den kommenden Wochen durch eins zu ersetzen, das die vielen
Helden unseres Krisenalltags würdigt», sagte Niedecken. «Also schickt

uns gerne von überall her Fotos im Querformat von diesen Menschen.
Wir möchten in unserem finalen Video möglichst vielen, die uns mit
ihrem Einsatz oft bis zum Rand der Erschöpfung durch diese schwierige
Zeit begleiten, ein Gesicht geben.»