Freudenschreie und Augenrollen - Freud und Leid für Bayerns Parteien Von Michael Donhauser, Jennifer Weese und Christoph Trost, dpa

Unter dem Eindruck der Corona-Krise hat Bayern seine Kommunalwahlen
über die Bühne gebracht: Mit beeindruckend hoher Wahlbeteiligung,
trotz, oder gerade wegen der Ausgangsbeschränkungen. Für fast alle
Parteien gab es Licht und Schatten - aber kaum Katastrophen.

München (dpa/lby) - Leere Straßen, volle Briefkästen: Die unter
historisch einmaligen Umständen inmitten der Corona-Krise
abgewickelten Kommunalwahlen in Bayern sind vorbei. Und die Parteien
gehen nach drei Monaten eines zum Ende hin denkwürdigen Wahlkampfes
aus dem Ring, ohne einen ganz klaren Sieger ermittelt zu haben. Die
Erkenntnisse der Urnengänge auf kommunaler Ebene für Landes- oder
Bundesebene sind eher gering.

Wie bei einem Faustkampf haben alle Beteiligten sinnbildlich blaue
Flecken davongetragen - obwohl die Ausschließlichkeit der Briefwahl
Körperkontakt unmöglich machte. Einen glasklaren Sieger gibt es
innerhalb der Parteienlandschaft nicht. Praktisch alle Parteien haben
aber auch Erfolgserlebnisse zu vermelden - ein eindeutiger Verlierer
ist ebenso wenig zu erkennen.

Am ehesten lässt sich eine Fortsetzung des Trends gegen die einst
«großen» Parteien ablesen. Sowohl CSU als auch SPD haben bayernweit

Einbußen hinnehmen müssen. Als Sinnbild des Spiels von Licht und
Schatten mögen zwei Städte dienen: Die SPD muss fast sensationell
Nürnberg an die CSU abgeben. Im Umkehrschluss gewinnen die
Sozialdemokraten Ingolstadt - wo seit fünf Jahrzehnten die CSU
regiert.

Die Freien Wähler konnten hinzugewinnen und stellen nun 14 Landräte.
Die Grünen gewannen Stimmenanteile und Sitze in den Räten - verfügen

aber derzeit in der Fläche nicht über die charismatischen Köpfe, um
bei der noch immer stark auf Personen abzielenden Kommunalwahl auch
bei der Postenvergabe mitreden zu können - am Ende blieb statt bisher
zwei nur noch ein Landratsposten im unterfränkischen Miltenberg.

Für Zufriedenheit bei fast allen Parteien sorgte der Umstand, dass
die AfD nur sehr wenig Punkten konnte - die Rechtspopulisten blieben
einstellig, alle anderen Parteien schlossen eine Zusammenarbeit aus.

Die Parteien im Einzelnen: 

CSU: Es gab Blessuren und Nadelstiche für die einst als
«Staatspartei» erfolgsverwöhnten Christsozialen - aber auch viel
Grund zum Feiern. «Wir sehen uns als klare Sieger der Kommunalwahlen
2020», sagte Generalsekretär Markus Blume am Montag in München. Bei
der Stichwahl dürfte an der einen oder anderen Stelle auch der
Söder-Effekt eine Rolle gespielt haben - der Ministerpräsident wurde
zuletzt als anpackender Krisenmanager über Bayern hinaus gefeiert.
Vor allem in Söders Heimatstadt Nürnberg könnte die Popularität des

Landesvaters das Zünglein an der Waage gewesen sein.

Sowohl bei den Landräten als auch bei den Oberbürgermeistern habe man
die bisherige Zahl von Amtsinhabern unter dem Strich gehalten, sagte
Blume. Und auch die Zahl der Bürgermeister - knapp 1000 - habe die
CSU stabil gehalten. Das sei auch ein Erfolg, weil das politische
Umfeld heute ein anderes sei als vor sechs Jahren. Deshalb sei man
auch mit dem Ergebnis der Gremienwahlen zufrieden - obwohl es dort
für die CSU um rund fünf Punkte nach unten ging.

SPD: Für die Sozialdemokraten waren die Auszählungen ein Wechselbad
der Gefühle. Zwar konnten sie die Zahl von kreisfreien Städten unter
einem SPD-Oberbürgermeister von bisher zehn sogar noch leicht
aufstocken. Auch kleinere Erfolge, wie etwa das Erobern des Rathauses
in Kulmbach, dürften den Genossen Mut machen - zumal in Oberfranken
drei der vier kreisfreien Städte ebenfalls einen
SPD-Oberbürgermeister haben.

Der Verlust der Hochburg Nürnberg ist aber eine enorm schmerzhafte
Erfahrung, und in München ist - trotz des klaren Erfolgs von Dieter
Reiter in der Stichwahl zum OB - nicht alles Gold, was glänzt. Wie in
der Landeshauptstadt brechen bayernweit Mandate in den Stadt- und
Gemeinderäten weg. Für SPD-Landeschefin Natascha Kohnen macht die
Kommunalwahl dennoch Mut, aus zweierlei Gründen: «Ganz viele unserer
jungen Kandidaten waren sehr erfolgreich», sagte sie. «Wenn nicht
beim ersten Mal, dann haben sie eine gute Perspektive für den
nächsten Anlauf.» Und zweitens: Die Arbeit der großen Koalition aus
CDU und SPD auf Bundesebene werde in Corona-Zeiten plötzlich
gewürdigt - zurecht, wie Kohnen findet.

FREIE WÄHLER: Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und seine Freien
Wähler haben den vielleicht größten Grund zum Jubeln. Mit einem
saftigen Plus sind die Freien Wähler in den Stadträten und Kreistagen
der größte Gewinner mit den Grünen. Dass die Freien Wähler nun 14
statt bisher zwölf Landräte stellen, lässt Aiwanger jubilieren. «Es

sind sensationelle Ergebnisse für die Freien Wähler. Wir haben
Landräte und Bürgermeister hinzugewonnen. Es ist ein Freudentag»,
betonte er.

GRÜNE: Die Grünen können vor allem über die zugewonnenen Sitze in d
en
Kommunalvertretungen jubeln. Die Ablösung der Klimadebatte durch die
die Corona-Krise als Diskussionsthema Nummer eins brachte aber auch
ein paar Niederlagen für die Umwelt-Partei. «Die Stichwahlen hätten
für uns besser laufen können», sagte Grünen-Landeschefin Eva
Lettenbauer am Montag der Deutschen Presse-Agentur. In Bad Aibling,
in Gauting oder in Moosburg etwa war das Ergebnis im Rennen um den
Spitzenposten sehr knapp. Anderorts war es klarer - etwa im Landkreis
Miesbach, wo der bisherige Grünen-Landrat Wolfgang Rzehak gegen
seinen CSU-Herausforderer Olaf von Löwis verlor.

Sie glaube, dass die Corona-Krise den Parteien der Landesregierung -
also der CSU und den Freien Wählern - in die Hände gespielt habe.
Dennoch gingen die Grünen mit dem «immensen Mandatszuwachs» als klare

Wahlgewinner aus der gesamten Kommunalwahl hervor. «Wir sind jetzt
deutlich zweitstärkste Kraft in Bayern und wir können darauf Land
auf, Land ab in ganz Bayern jetzt auch aufbauen», sagte Lettenbauer.

AFD: Die Rechtspopulisten konnten bei den Kommunalwahlen nicht
signifikant punkten. Ein paar Achtungserfolge in ihren Hochburgen wie
Niederbayern oder Schweinfurt traten erwartungsgemäß ein. Bei der
Postenvergabe spielt die AfD keine Rolle. Die Ratsmitglieder werden
in den Gemeindevertretungen ein isoliertes Dasein fristen - praktisch
alle Parteien schlossen eine Zusammenarbeit aus.

FDP: Der gebürtige Österreicher Alexander Putz holte für die
bayerischen Freidemokraten wieder mit einem beeindruckenden Ergebnis
das Oberbürgermeister-Amt in Landshut - das war es auch mit
Achtungserfolgen der FDP. Die Liberalen spielen kommunalpolitisch
weiterhin eine Nebenrolle - wenngleich sie bei den Stimmen in den
Stadträten und Kreistagen gegenüber 2014 leicht zulegen konnten.