Mission Schadensbegrenzung: Adidas und Deichmann erbitten Verständnis Von Erich Reimann, dpa

Nach der Ankündigung, Mietzahlungen für ihre Filialen auszusetzen,
sehen sich die Markenikonen an den Pranger gestellt. Die Konzernchefs
werben deshalb höchstpersönlich um Verständnis für ihr Vorgehen.

Essen (dpa) - Boykottaufrufe im Internet und scharfe Kritik aus
der Politik: Adidas, Deichmann und H&M haben mit der Ankündigung, die

Mietzahlung für ihre wegen der Corona-Pandemie geschlossenen Filialen
vorläufig auszusetzen, in ein Wespennest gestochen. Gerechnet haben
die Unternehmen mit dieser Reaktion offensichtlich nicht.

Der Eigentümer der größten deutschen Schuhhandelskette, Heinrich
Deichmann, zeigte sich am Montag entsetzt. «Unsere
Unternehmensphilosophie ist darauf ausgerichtet, den Menschen zu
dienen. Dass uns jetzt unterstellt wird, wir würden uns in der Krise
bereichern wollen, das trifft mich sehr hart. Das ist überhaupt nicht
der Fall», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

«Wir haben nie gesagt, dass wir keine Mieten mehr zahlen. Wir haben
unsere Vermieter gebeten, unsere Mieten zu stunden», betonte der
57-Jährige und fügte hinzu: «Falls ein Vermieter nicht in der Lage

ist, eine Stundung wirtschaftlich zu verkraften, werden wir ihm
helfen und dann werden wir auch die Miete zahlen.» Gleichzeitig ließ
der Unternehmer allerdings auch keinen Zweifel daran, dass er
angesichts der staatlich angeordneten Ladenschließungen
Zugeständnisse der Vermieter erwartet. «Wir werden die Vermieter
bitten, einen Teil der Mietschäden zu übernehmen», sagte er. Es geht

immerhin um 1500 Filialen allein in Deutschland.

Deichmann betonte, der Schuhhändler sei zwar grundsätzlich finanziell
solide aufgestellt. Doch auch für ihn sei die Coronavirus-Krise eine
Herausforderung. «Wir sind in 30 Ländern tätig. In 28 Ländern sind

unsere Geschäfte geschlossen und wir können überhaupt nicht absehen,

wann diese Schließungen enden. Deshalb müssen wir versuchen, unsere
Mitarbeiter und ihre Arbeitsplätze zu schützen.»

Ob Deichmann einen Antrag auf Staatshilfe stellen müsse, hänge davon
ab, wie lange die Krise anhalte. «Wenn wir am 20. April unsere Läden
wieder öffnen können, wird das nicht notwendig sein. Aber wenn die
Läden jetzt drei Monate geschlossen bleiben sollten, müssten wir auch
darüber nachdenken.»

Der Unternehmer befürchtet, dass selbst nach der Wiederöffnung der
Läden das Geschäft eher verhalten anlaufen wird. «Wir haben das ja in

China beobachtet, auch dort hat es eine Zeit gedauert, bis die
Umsätze wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben.» Außerdem rechnet

er mit einer Rabattschlacht. «Je länger die Schließung dauert, desto

weniger passt die Ware noch zur Saison. Außerdem stapelt sich ja in
den Lagern die unverkaufte Ware. Dann wird man sicher sehen, dass
viel reduziert wird.»

Adidas-Chef Kasper Rorsted hatte sich schon am Wochenende in einem
Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» um
Schadensbegrenzung bemüht. Es gehe dem Unternehmen nicht darum, die
Miete für den April nicht zu bezahlen, sondern lediglich um eine
Stundung, sagte er.

Auch H&M betonte am Montag, es gehe erst einmal nur um eine
Aussetzung der Zahlungen, nicht darum, keine Miete zu zahlen. Der
Geschäftsführer von H&M Deutschland, Thorsten Mindermann, betonte:
«Unser oberstes Ziel ist es, mit all unseren Partnern, sowohl private
als auch institutionelle Vermieter, jetzt schnell individuelle
Lösungen für die Mieten zu finden.»

Vielen kleineren Händlern dürften die Mietzahlungen erheblich größe
re
Probleme bereiten als den Branchenriesen. Der Präsident des
Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, warnte am
Montag in Briefen an die Bundesregierung, die oft hohen Mieten in den
Innenstädten überforderten in der gegenwärtigen Krise viele kleine
und mittelgroße Handelsunternehmen binnen kürzester Zeit. Im
Nicht-Lebensmittelhandel entfalle durch die Corona-Krise in den
Geschäften derzeit täglich ein Umsatz von rund 1,15 Milliarden Euro.
Gleichzeitig müssten aber Mieten in Höhe von rund 4,4 Milliarden Euro
pro Monat weiterbezahlt werden. Das könnten die Handelsunternehmen
nicht mit den meist dünnen Rücklagen abdecken.

«Der Handel braucht jetzt ein Mittelstandsprogramm, das den
Handelsunternehmen rasch und ohne große Bürokratie Geld zur Verfügung

stellt», drängte Sanktjohanser. Und auch die Vermieter seien
gefordert, ihren Handelsmietern entgegenzukommen.

Die Aussetzung der Mietzahlungen durch die Handelsketten war in der
Öffentlichkeit auf Unverständnis gestoßen. Schließlich hatte Adidas

erst kürzlich für das vergangene Geschäftsjahr einen Milliardengewinn

ausgewiesen. Und auch Deichmann und H&M gelten als solide finanziert.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte deshalb
kritisiert: «Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten
nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.» Auch
andere Minister hatten ihr Unverständnis geäußert. Der Präsident de
s
Immobilienbesitzerverbandes Haus & Grund, Kai Warnecke, sagte: «Die
Handelsketten nehmen das Gesetz vorsätzlich zum Anlass, um
Mietzahlungen auszusetzen. Das ist absolut missbräuchlich. Es
untergräbt die Zahlungsmoral.» Im Internet kam es zu Boykottaufrufen.