Landtag ebnet Weg für Corona-Haushalt - Erste Rufe nach Notparlament

Der Landtag ist noch frei vom Coronavirus - das Land nicht. Mit
zunächst 500 Millionen Euro zusätzlich will die Regierung die Folgen
des neuartigen Virus abfedern. Was das Parlament macht, wenn die
Pandemie die Abgeordneten erreicht, scheint völlig unklar.

Magdeburg (dpa/sa) - Mit weniger Redezeit als gewohnt und zwei Metern
Abstand zueinander haben die Abgeordneten des Magdeburger Landtags
den Nachtragshaushalt für die Bewältigung der Corona-Krise auf den
Weg gebracht. Das 500 Millionen Euro schwere Zusatzbudget soll am
Donnerstag in zweiter Lesung vom Parlament endgültig beschlossen
werden. Das Paket sieht unter anderem Hilfen für Unternehmen,
Krankenhäuser, Kita-Träger und Künstler vor.

Um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus im Hohen Haus zu
verhindern, tagte das Parlament schon zum zweiten Mal mit besonderem
Prozedere. Zehn Tage nach der Debatte zum eigentlichen Haushalt, bei
der es gar keine Reden gegeben hatte, durften die Fraktionen und die
Regierung am Montag jeweils 15 Minuten reden. Zwischen den Beiträgen
wurde das mit Plastikfolien abgeklebte Rednerpult desinfiziert. Damit
die Abgeordneten möglichst weit voneinander entfernt blieben, saßen
die Parlamentarier am Montag verteilt auf den Sitzreihen des
Plenarsaals und beiden Besuchertribünen.

Auch inhaltlich stand die Sitzung ganz im Zeichen der weltweiten
Pandemie. Parlamentspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU) sprach in
einer Rede zu Beginn von der wahrscheinlich größten Krise seit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs. Brakebusch dankte im Namen des
Parlaments den vielen Arbeitern, die derzeit die Versorgung in
Deutschland aufrechterhalten. Unter anderem das Personal von
Supermärkten, Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen würden «d
en
Laden überall dort am Laufen halten, wo er unbedingt laufen muss»,
sagte die Präsidentin. Zum Ende ihrer Rede hielten die Abgeordneten
große Schilder mit der Aufschrift «Danke» hoch.

Ein Ende der Krise, so wurde in mehreren Reden deutlich, sei noch
nicht absehbar. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) appellierte
an die Menschen in Sachsen-Anhalt, sich an die Corona-Beschränkungen
zu halten. «Halten Sie Abstand, schalten Sie die sozialen Kontakte
auf ein Minimum ein und bleiben Sie zu Hause!».
Ausgangsbeschränkungen und andere Restriktionen zeigten zwar erste
Effekte, diese Effekte seien aber nicht ausreichend um die
Beschränkungen wieder zu lockern.

Auch SPD-Fraktionschefin Katja Pähle verbat sich zum jetzigen
Zeitpunkt eine Debatte um eine Rückkehr zum Normalzustand. Der
Großteil der Bevölkerung reagiere mit großem Verständnis und
Disziplin auf die «enormen» Einschnitte. «Wir sollten diese Akzeptanz

auch nicht dadurch gefährden, dass wir vorzeitig über das Lockern von
Beschränkungen diskutieren, während wir in Wahrheit noch gemeinsam
mehrere harte Wochen durchzustehen haben.» Der Staat, sagte Pähle
außerdem, zeige sich momentan ausgesprochen krisenfest.

Pähles Grünen-Amtskollegin Cornelia Lüddemann sagte, das Parlament
müsse sich darauf einstellen, dass im Verlauf der Krise ein
erheblicher Teil der Abgeordneten erkranken und nicht an
Landtagssitzungen teilnehmen könnte. «Wir müssen ernsthaft eine
Diskussion um ein Notparlament führen», sagte
Lüddemann. Notparlamente sind Gremien, die in Krisenzeiten die
Geschäfte des eigentlichen Parlaments übernehmen. Sie spiegeln die
Fraktionsstärken des Parlaments wieder, haben aber deutlich weniger
Mitglieder. Auch Parlamentspräsidentin Brakebusch hatte eingeräumt,
dass sich der Landtag für diesen Fall wappnen müsse, und zwar «bald
».
Am Montag war noch kein Coronavirus-Fall im Landtag bekannt.

Die Linke begrüßte den Nachtragshaushalt grundsätzlich, forderte aber

weitergehende Hilfen, etwa für Studenten, Obdachlose, Kitas und Opfer
häuslicher Gewalt. Zur Finanzierung forderte die Partei erneut, die
Vermögen von Millionären und Milliardären heranzuziehen.
Fraktionschef Thomas Lippmann schlug den Abgeordneten darüber hinaus
vor, auf die nächste Diätenerhöhung zu verzichten. Außerdem fordert
e
die Oppositionspartei, dass auch die Fristen von Volksbegehren
verlängert werden, da die Sammlung von Unterschriften unter den
derzeitigen Kontaktbeschränkungen praktisch unmöglich sei.

Die AfD nutzte ihre Redezeit für eine Abrechnung mit der
Bundesregierung. Die habe die Corona-Krise zu lange nicht ernst
genommen, sagte Fraktionschef Oliver Kirchner. Das sei 2015 bei der
Zuwanderung zahlreicher Flüchtlinge auch schon so gewesen.