Corona in Pflegeheimen - Engpässe bei Ausrüstung und Personal wachsen

Das Coronavirus breitet sich in Thüringen weiter aus. Damit wächst
die Sorge, dass das Virus verstärkt auch Senioren in Pflegeheimen
treffen könnte. In anderen Bundesländern sorgen bereits Todesfälle in

Heimen für tiefe Betroffenheit.

Triptis/Erfurt (dpa/th) - Berichte über Coronavirus-Todesfälle in
Pflegeheimen etwa in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt lassen in
Thüringen aufschrecken. Heimbetreiber sorgen sich vor allem über
Engpässe bei Schutzausrüstung und fehlendes Pflegepersonal. Deswegen
gibt es Kritik an einer Entscheidung des Sozialministeriums, das
Besuchsverbot zu lockern. Immerhin bewerten die Behörden im
Saale-Orla-Kreis die Situation im Pflegeheim in Triptis nach einem
Coronavirus-Ausbruch als stabil.

Für den normalen Pflegealltag sei Schutzausrüstung in Maßen
vorhanden, erklärte Dirk Gersdorf von der Thüringer Arbeiterwohlfahrt
(Awo), die unter anderem das Pflegeheim in Triptis betreibt. Doch
gingen die Bestände zur Neige, seien Nachbestellungen wegen der hohen
Nachfrage derzeit kaum möglich und müssten sich die Heime
untereinander aushelfen. Noch schwieriger sei es mit spezieller
Ausrüstung für die Pflege Coronainfizierter. Die gehöre nämlich nic
ht
zum Standard in den Heimen. «Da wird es sehr problematisch, wenn es
zu einem massiven Ausbruch in mehreren Häusern kommen sollte.»

Es sei erforderlich, dass die Heime mit entsprechender Schutzkleidung
beliefert werden, betonte der Leiter des Pandemiestabes des
Saale-Orla-Kreises, Torsten Bossert, auf dpa-Anfrage. «Die Ausrüstung
in den Heimen scheint sehr begrenzt zu sein.» Zudem gebe es keine
Reserven beim Personal. Der Personalschlüssel sei so gering, dass
etwa während einer Nachtschicht eine Altenpflegerin auf rund 60
Bewohner komme. Bossert: «Bei zwei, drei Kranken in der Belegschaft
ist ein Heim kaum noch zu versorgen.» Dabei dürfte eine weitere
Ausbreitung des Coronavirus zu einem höheren Krankenstand und damit
Ausfällen auch beim Pflegepersonal führen.

Kritik gibt es vor diesem Hintergrund an der Entscheidung des
Gesundheitsministeriums, das Besuchsverbot in den Heimen zu lockern.
Laut der jüngsten Verordnung ist ein Besucher pro Bewohner und Tag
für maximal eine Stunde zulässig. Das sei in der Praxis völlig
unrealistisch, kritisierte Awo-Pflegeexpertin Sabine Spittel. «Wir
brauchen die Schutzausrüstung und die Desinfektionsmittel, die wir
haben, für unser Personal, nicht für Besucher.» Auch sei das Personal

für die Registrierung jedes Besuchers inklusive Abfrage, ob er aus
einem Risikogebiet komme, nicht vorhanden.

Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) betonte, dass
der Besuch in Pflegeheimen «derzeit grundsätzlich untersagt» sei.
«Ausnahmen sind möglich, wenn Besuch aus Sicht des Pflegeheims zum
Wohle des Bewohners oder der Bewohnerin unbedingt erforderlich ist»,
erklärte Werner. Sie wies darauf hin, dass Pflegeheime nicht dazu
verpflichtet seien, Ausnahmen zu genehmigen. Jeder Besuch von außen
sei ein Risiko.

Sollten präventiv alle Bewohner von Pflegeheimen auf eine
Coronavirus-Infektion getestet werden? «Aus medizinischer Sicht wäre

das sinnvoll», erläuterte Bossert. Das werde aber derzeit nicht
gemacht, weil es den Richtlinien des Robert Koch-Instituts
entgegenstehe. «Das Problem ist, dass ein negativer Test schon am
nächsten Tag positiv sein kann.» Gersdorf vermutet zudem, dass dafür

die aktuellen Testkapazitäten nicht ausreichen.

Nach dem Coronavirus-Ausbruch im Awo-Pflegeheim in Triptis gibt es
den Angaben nach über die 21 bestätigten Fälle bei elf Mitarbeitern
und zehn Senioren hinaus bisher keine neuen Infektionen. Allerdings
seien zwei positiv getestete Senioren von ihren Hausärzten ins
Krankenhaus eingewiesen worden, teilte das Landratsamt am Montag mit.
«Bei den Personen handelt es sich um keine Akutfälle, sondern um
Vorsichtsmaßnahmen.» Bereits in der vergangenen Woche war eine
betroffene Seniorin in eine Klinik gebracht worden.