1053 Corona-Fälle im Norden - Hilfen für Kleinbetriebe angelaufen

In der Corona-Krise haben die ersten Kleinstunternehmer staatliche
Hilfsgelder auf dem Konto. Trotzdem gibt es Kritik. Die jüngste
Zunahme der Infektionsfälle ist im Norden eher moderat. Regierung und
Finanzwirtschaft wollen an einem Strang ziehen.

Kiel (dpa/lno) - Als Überlebenshilfen in der Corona-Krise sind an
hunderte Kleinstunternehmer in Schleswig-Holstein erste Zuschüsse
geflossen. «Bisher haben wir 700 Anträge beschieden», sagte
Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) am Montagvormittag. Mit
Stand 10.00 Uhr seien insgesamt 6,7 Millionen Euro angewiesen worden.
Im Laufe des Tages wurden es rund 7 Millionen. Bis Montag gingen etwa
30 0000 Anträge ein. «Es geht darum, schnell möglichst viele Anträg
e
zu bearbeiten», sagte Buchholz. Das Land habe bereits am vergangenen
Donnerstag die Formulare ins Internet gestellt.

Der Bund unterstützt kleine Firmen, Solo-Selbstständige, Freiberufler
und Landwirte mit bis zu 50 Milliarden Euro. Schleswig-Holstein
flankiert dies mit 100 Millionen Euro für Sonderfälle.

«Wir arbeiten massiv an der Umsetzung, um die entsprechende
Liquidität im Markt zu haben», sagte Minister Buchholz. Bund und
Länder wollen mit ihren Hilfen Liquiditätsengpässe bei kleinen Firmen

überbrücken, die in der Regel keine Kredite erhalten und über keine
Sicherheiten oder weitere Einnahmen verfügen. Firmen mit bis zu fünf
Beschäftigten bekommen eine Einmalzahlung von 9000 Euro für drei
Monate, Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten 15 000 Euro.

Die Zahl der in Schleswig-Holstein gemeldeten Infektionen mit dem
neuartigen Coronavirus stieg auf 1053. Laut Landesregierung wurden
bis Sonntag damit 46 Fälle mehr erfasst als am Tag zuvor. Die Zunahme
fiel schwächer aus als an Tagen zuvor - aber es kann Nachmeldungen
geben. 128 Menschen im Land sind oder waren seit Beginn der Epidemie
in klinischer Behandlung und damit 11 mehr als nach der Meldung vom
Samstag. Bisher wurden 7 Todesfälle verzeichnet, die mit dem Virus im
Zusammenhang stehen.

In Deutschland sind bis Montagnachmittag 61 296 Infektionen mit dem
neuen Coronavirus registriert worden. Das geht aus einer Auswertung
der Deutschen Presse-Agentur hervor, die die gemeldeten Zahlen der
Bundesländer berücksichtigt. Besonders hohe Zahlen haben Bayern mit
14 437 nachgewiesenen Fällen und 133 Toten und Nordrhein-Westfalen
mit mindestens 14 219 Fällen und 125 Toten. Gerechnet auf 100 000
Einwohner verzeichnet Hamburg mit einem Wert von 120,3 die meisten
Infektionen. Im Bundesschnitt waren es 73,7. Mindestens 512 mit
Sars-CoV-2 Infizierte sind den Angaben zufolge bislang bundesweit
gestorben.

Am Montag besprach Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit Spitzen
der Finanzwirtschaft die Lage. Sparkassenverband, Bankenverband,
Volks- und Raiffeisenbanken, Investitionsbank und Landesregierung
stünden den Selbstständigen und den Unternehmen in dieser schwierigen
Zeit zur Seite, hieß es auf der Homepage der Regierung in einer
gemeinsamen Erklärung. «Sie sehen die Wirtschaft als Ganzes durch den
Virus und die unvermeidbaren Schutzmaßnahmen in ihrer Substanz
bedroht und werden daher der Wirtschaft jede mögliche Unterstützung
zur Bereitstellung von Liquidität und zur Sicherung des Eigenkapitals
zu Teil werden lassen.»

Soforthilfen und Darlehensprogramme würden partnerschaftlich, schnell
und unbürokratisch umgesetzt. «Nicht Gewinnstreben ist jetzt wichtig,
sondern miteinander und füreinander da zu sein», äußerte
Sparkassenverbandspräsident Reinhard Boll. Es gehe um zielgerichtete
Wirtschaftsförderung in Krisenzeiten. Die privaten Banken täten
alles, um ihren Kunden umgehend auf Basis der Hilfsprogramme
Liquidität zur Verfügung zu stellen», versicherte Henning Oldenburg
vom Bankenverband. Ähnlich äußerte sich Siegfried Mehring für die
Volks- und Raiffeisenbanken.

«Neben der Gesundheit steht für mich in dieser Krise der Erhalt der
wirtschaftlichen Strukturen in Schleswig-Holstein im Kern meines
Regierungshandels», erklärte Regierungschef Günther. Er vertraue
darauf, dass alle Schleswig-Holsteiner Seite an Seite stehen - im
privaten wie im geschäftlichen Umfeld.

«Angesichts der außergewöhnlichen Umstände, die der Ausbruch von
COVID-19 herbeiführt, sind Unternehmen jeglicher Größe mit einem
gravierenden Liquiditätsmangel konfrontiert», sagte Investitionsbank-
Chef Erk Westermann-Lammers. Über sein Haus laufen die Hilfszahlungen
von Bund und Land. Für die Antragsflut hat das Förderinstitut die
Mitarbeiterzahl aufgestockt, Wochenend- und Schichtarbeit eingeführt
und technische Kapazitäten erweitert. «Die Hilfen in der Corona-Krise
sind so umfangreich, wie es unsere Bank noch nicht erlebt hat.»

Als grundsätzlich schwierig bezeichnete das Gesundheitsministerium
die Ausrüstung mit Schutzmaterial in Kliniken und Praxen. Das gelte
besonders für persönliche Schutzausrüstung wie Masken und Kittel.
Über die Bemühungen des Bundes hinaus baut das Land eine strategische
Reserve für Notsituationen auf. Es stehen auch mehrere hundert
pensionierte Ärzte bereit, in dieser Krisensituation zu helfen.

Wegen der Begrenzung von Zuschüssen für Kleinbetriebe auf solche mit
maximal zehn Beschäftigten äußerten Wirtschaftsverbände Kritik. Die

Unternehmensverbände von Ost- und Westküste forderten auch für
Betriebe bis 50 Beschäftigten außer Darlehen ergänzende Hilfen, um
Liquidität und Jobs zu sichern. In anderen Ländern sei das auch so.
Die Landesregierung müsse hier dringend nachbessern, verlangte der
Landesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Stefan
Lange. Auch die IHK kritisierte die «Unterstützungslücke».

Minister Buchholz begründet das Vorgehen damit, es würden 88 Prozent
aller Betriebe erreicht. Irgendwo müsse eine Grenze gezogen werden,
da das Antragsvolumen auch gedeckt werden müsse. Zudem gebe es für
Unternehmen mit über zehn Mitarbeitern gute Darlehensprogramme.